Schuld war nur die Badewanne
ist denn Hannes?«
»Draußen bei der Keramik.«
Inzwischen hatte ich mir einen kleinen Überblick verschafft und war maßlos enttäuscht. Alles, was da so herumstand, war künstlich! Es sah ja auf den ersten Blick sehr schön aus, aber es duftete nicht, und Blumen, die nicht duften, sind keine! Jedenfalls nicht für mich. »Wer kauft denn so was bloß?« Ich zog eine Teerose aus einem der vielen Kübel und betrachtete sie genau. Einer echten sah sie wirklich täuschend ähnlich, sogar die Blütenblätter waren etwas eingerollt, und Dornen hatte sie auch, allerdings ohne Spitzen. »Was kostet die denn?«
»Die Preise habe ich noch nicht im Kopf.« Steffi nahm mir die Blume aus der Hand. »Ich schätze, so um die vier Mark herum. Wir haben aber auch noch teurere. Die Dinger sind schließlich aus Seide.«
»Wir«, hatte sie gesagt!!! Was, um alles in der Welt, ging denn hier vor?
»Soll ich dich mal ein bisschen herumführen?«
Während der nächsten halben Stunde vertiefte ich meine Kenntnisse der heimischen Flora. Vom Gänseblümchen bis zur Sonnenblume war alles vertreten, was man in normalen Gärten finden kann. Unseren natürlich ausgenommen, dank der fünf Birken wächst ja nicht mal Petersilie. Rosen gab es in unzähligen Variationen, sogar blaue waren dabei. »Werden die passend zur Couchgarnitur gekauft?«
»Blödsinn«, winkte Steffi ab. »Die werden von Dekorateuren geholt oder von Floristen für Trockengestecke. Komm mal mit in unsere Deko-Abteilung!«
Schon wieder »unsere«! Ich folgte meiner Tochter durch mehrere Gänge voller Grünzeug bis zum Ausstellungsraum. Und da hing und stand alles das, was man aus diesen künstlichen Gewächsen machen kann. Leuchter, dekoriert mit Kerzen und farblich darauf abgestimmten Blumen, Gestecke in allen Farben und Größen, Biedermeiersträußchen und Blumenkugeln, von der Decke baumelten Ampeln, sogar ein Brautstrauß lag dekorativ auf einem Ständer. »Den hat Lissy nur wegen des Farbeffekts hingestellt«, erläuterte Steffi. »Sie meinte, was Weißes müsste auch mit rein, aber das meiste sieht ja immer aus wie Friedhof.«
»Wer, bitte, ist Lissy?«
»Die Floristin.«
Als ehrlicher Mensch muss ich zugeben, dass diese ganzen Blumen wirklich nichts mehr mit Omis künstlichen Osterglocken zu tun hatten, die immer mein helles Entsetzen gewesen waren. In den fünfziger Jahren hatte sie sich die sieben Stängel gekauft, original Plastik und schon von weitem als solches zu erkennen. Noch im September hatten sie in einer Kristallvase auf dem Fensterbrett gestanden, leicht angestaubt, doch ungeachtet der fortgeschrittenen Jahreszeit immer noch in voller Blüte. Eines Tages hatte ich sie zwecks Generalreinigung in die Badewanne geschmissen und erst mal gründlich eingeweicht. Wenig später waren die Stiele in Form von grünen Papierschlangen an der Wasseroberfläche geschwommen. Seitdem habe ich was gegen künstliche Blumen, auch wenn sie, wie diese hier, aus edlerem Material sind.
»Wo finde ich denn nun meine Gießkanne, Spaten und was ich sonst noch haben will?«
»Gießkanne ja, Spaten nein – gib doch mal deinen Zettel her!« Kopfschüttelnd las Steffi die Liste herunter. »Hier ist doch kein Gartencenter! Blumenerde kannste kriegen, Übertöpfe auch, die stehen draußen, den Rest musst du woanders holen.«
Egal, die Einkäufe waren ohnehin nur ein Vorwand gewesen, aber inzwischen war mir klar geworden, dass ich mir diesen Besuch hätte sparen können. Hannes war noch nicht aufgetaucht, und Katja war auch keine Hilfe. Mit der Bemerkung, sie brauche mal wieder ein paar Kerzen, hatte sie sich abgeseilt und war zwischen den Regalen verschwunden. Nur so quasi nebenbei hatte ich herausbringen wollen, was sich hier eigentlich abspielte, doch dazu ergab sich erst gar keine Möglichkeit. Ich hatte lediglich den Eindruck, dass sich Steffi in dieser Umgebung schon absolut zu Hause fühlte. »Darf ich dich zu einem Kaffee einladen?«
Der Automat neben dem Eingang war mir schon vorhin aufgefallen, doch … »Nein danke, auf diese Plörre kann ich verzichten.«
»Den Kasten munitionieren wir selber, also ist der Kaffee auch trinkbar«, sagte Steffi, zog zwanzig Pfennig aus der einen Tasche, einen weiteren Groschen aus der anderen und fragte kläglich: »Hast du Kleingeld?«
»Ich möchte lieber einen Kakao!« Den Arm voller Kerzen, in der Hand eine Packung blauer Glassteinchen, trabte Katja an. »Habt ihr bloß noch weiße Teelichter?« Und als Steffi nickte:
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