Schuld war nur die Badewanne
ein wesentlich stilleres Weihnachtsfest als sonst, doch einen Vorteil hatte es: In diesem Jahr kamen wir wieder mit
einer
gebratenen Gans aus!
Hätte das Jahr statt der üblichen 365 Tage ausnahmsweise mal 380 gehabt, dann wäre es in die Familienchronik als das »Jahr der Trennungen« eingegangen. Nur wenige Tage nach ihrer Rückkehr aus dem Skiurlaub setzte Nicole ihren Thomas vor die Tür. Was im Übrigen nicht unbedingt wörtlich zu nehmen ist, denn er wohnte ja noch zu Hause bei Mama und Papa. »Jetzt wollte er doch tatsächlich bei mir einziehen«, empörte sie sich, »quasi von einem Schürzenzipfel zum nächsten wechseln. Als ich das abgelehnt habe, ist er sauer geworden. Das ist er immer noch.«
Sie merkte es daran, dass am darauf folgenden Samstag wieder der Kranwagen vorfuhr und Opas Schreibtisch ein zweites Mal über den Balkon gehievt wurde. Die Vermieterin, diesmal abwesend, nach ihrer Heimkehr jedoch sofort von Nachbarn informiert, inspizierte hinterher jeden Zentimeter Hauswand auf etwaige Kratzer. Es gab keine. Man hatte ja schon Übung gehabt.
Wenige Tage danach schickte Thomas per Einschreiben seine Armbanduhr zurück, die er von Nicki zu Weihnachten bekommen hatte. »So was Albernes«, meinte sie nur. »Doch wenn er jetzt glaubt, er kriegt die Ohrringe wieder, dann hat er sich geirrt, die sind nämlich wirklich hübsch. Aber sein letztes Geburtstagsgeschenk kann er zurückhaben, diese blöde Küchenmaschine steht doch bloß rum!« Sprach’s, entstaubte das Teil und deponierte es zu nächtlicher Stunde auf der elterlichen Terrasse. Womit das Kapitel Thomas abgeschlossen war und das von Jo begann.
»Der hat sie doch schon vor Jahren angegraben«, informierte uns Katja, nachdem die Besuche ihrer Schwester immer seltener und die gemeinsamen Unternehmungen mit Jörg immer häufiger wurden, »bloß hat er bisher nie eine Chance gehabt.«
»Wie ist er denn so?«, fragte ich.
»Womit verdient er seine Brötchen?«, fragte Rolf.
»Er ist ganz nett und studiert noch.« Damit waren zwar beide Fragen beantwortet, doch viel klüger waren wir noch immer nicht.
»
Was
studiert er?«
»Keine Ahnung, irgendwas Technisches«, sagte Katja gelangweilt. »Wenn er fertig ist, kann er sich Dippel-Ing. nennen. Ist denn das so wichtig?«
»Ich will ja bloß wissen, ob er später mal eine Frau ernähren kann«, meinte Rolf beleidigt.
»In welchem Jahrhundert lebst du eigentlich, Papi? In einem halben Jahr wird Nicki vermutlich mehr Geld auf ihrem Konto haben als Jo. Und ich auch. Frauen werden nicht mehr ernährt, die kaufen sich ihre Brötchen selber.«
Bis dahin war nur noch eine einzige Hürde zu nehmen, nämlich das letzte Staatsexamen. Offiziell heißt es »Zweite Dienstprüfung« und klingt schon sehr nach Beamtentum. Dank der Unterstützung ihres Kollegiums und nicht zuletzt ihrer eigenen Initiative würde Katja trotz ihrer viermonatigen Zwangspause zur Prüfung antreten können. Bis Mai könnte sie nach Ansicht ihres Rektors alles Versäumte aufgeholt haben.
Es muss irgendwann im Februar gewesen sein, als mich Steffi telefonisch darüber informierte, dass wir den nächsten Jahreswechsel alle auf Jamaika verbringen würden und es opportun sei, schon mal für die Flugtickets zu sparen.
»Spinnst du, oder hast du im Lotto gewonnen?«, war alles, was mir dazu einfiel.
»In diesem Fall würde ich natürlich für sämtliche Kosten aufkommen«, bemerkte sie ganz richtig, »aber ein zweites Mal wird mir Fortuna bestimmt keine Chance mehr geben, nicht wahr, Määm?«
Diesen Vorfall bekomme ich wohl bis an mein Lebensende aufs Butterbrot geschmiert! Sechzehn Jahre alt war Steffi damals gewesen, hatte nach dem Besuch des Heilbronner Volksfestes ihre letzten fünfzig Pfennig in einen Automaten gesteckt, der dann ein Kärtchen ausgespuckt hatte mit Jahreshoroskop, Charaktereigenschaften, die sowieso nicht gestimmt hatten, und ähnlichem Unsinn. Angebliche Glückszahlen waren auch darauf vermerkt gewesen.
»Damit spiele ich in dieser Woche Lotto«, hatte Steffi gesagt und mich um Taschengeldvorschuss gebeten.
»Aber nicht für diesen Quatsch«, hatte ich abgelehnt, »das Geld könntest du ebenso gut in den Mülleimer werfen.«
Ich hatte die Sache längst vergessen, als sie Tage später in der Zeitung blätterte und die Gewinnzahlen sah. »Ich glaube, die Karte steckt noch in meiner Jackentasche. Jetzt will ich doch mal wissen, wie viel ich gewonnen hätte«, meinte sie lachend.
»Zumindest den
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