Schuld war nur die Badewanne
nicht mit selbstgefangenen Lachsen reizen, schon gar nicht, wenn man sie aus eiskalten Gewässern holen muss. Drumherum ist es meistens auch nicht viel wärmer. Ebenso wenig habe ich etwas für beschauliche Ortschaften übrig, denn mir fehlt das Malerauge. Aquarellieren kann ich nicht, ich durfte aber immer das Wasser holen. Wenn ich Glück hatte, gab es einen Dorfbrunnen, falls nicht, blieb nur die nächste Kneipe. Dabei ist es gar nicht so einfach, einem erwartungsvollen Wirt klarzumachen, dass man statt eines Mittagessens bloß eine Blechbüchse voll Leitungswasser haben will.
Andererseits kann man einem Ehemann, der schon bei zwanzig Grad Außentemperatur einen Ventilator auf seinen Schreibtisch stellt, nicht zumuten, bei dreißig Grad im Schatten einen Strandspaziergang zu machen. Ein einziges Mal habe ich Rolf nach Kenia mitgeschleift und es drei Wochen lang bereut. Den anklagenden Blick werde ich nie vergessen, wenn er in Ufernähe einen Schwarm fingerlanger Fischlein entdeckte und ich ihn im Geiste den fehlenden Meter dazuzählen sah, der in einem kühlen, klaren Fluss aufs Geangeltwerden wartete (oder auch nicht!). In der dritten Woche hatte ich meinem frustrierten Gatten ein paar Tage Hochseefischen verordnet, doch das hatte ihm nicht gefallen. Zu viel Sonne, und das einheimische Bier hatte ihm auch nicht geschmeckt.
Seitdem machen wir getrennt Urlaub, er im Sommer, ich im Winter, und beide sind zufrieden.
Überraschenderweise hatte Rolf gegen meine außerplanmäßige Reise nichts einzuwenden. »Finde ich prima, dass sie dich mitnehmen. Warum sollst du denn auch hierbleiben? Bis jetzt musste ja immer jemand da sein, um die Küken zu bekochen und abends überall das Licht auszumachen, aber das ist doch jetzt nicht mehr nötig. Lehrerinnen haben lange Sommerferien, und das Elternhaus ist der letzte Platz, wo sie sie verbringen werden.«
Damit hatte er zweifellos recht. Katja würde bereits am letzten Schultag zu ihrem Tom nach Heidelberg fahren und selig sein, dass sich ihre Zweisamkeit mal nicht nur aufs Wochenende beschränkte, und Nicki fühlte sich in ihrer eigenen Wohnung viel zu wohl, um sie freiwillig gegen unser Gästezimmer einzutauschen.
»Vielleicht gelingt es dir ja, den beiden Eheaspiranten diese fixe Idee mit der Hochzeit auf Jamaika auszureden«, meinte Rolf so ganz nebenbei. »Vor Ort finden sich doch bestimmt genügend Gründe, die dagegen sprechen.«
Daher also wehte der Wind! Nicht Großzügigkeit und Mitleid mit der armen Daheimgebliebenen waren es, die meinen Ehemann so tolerant erscheinen ließen, sondern purer Egoismus! Er wollte bloß nicht auf das vermutlich herrliche
Island in the sun,
er wollte vielmehr seine Dorfkirche haben oder wenigstens ein deutsches Standesamt mit einem richtigen deutschen Beamten hinter dem Schreibtisch. Elender Chauvinist! Mir dagegen gefiel der Plan einer exotischen Hochzeit ausnehmend gut. So richtig vorschriftsmäßig mit weißer Braut, Kirche und Orgel hatte ich ja schon einen meiner Nachkommen verheiratet, und die Sache war schiefgegangen. Einer weniger konventionellen Zeremonie würde vielleicht eine haltbarere Ehe folgen.
Und dann kam alles doch ganz anders!
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O mia bella Venezia!
D och zuerst kam mein Geburtstag. Ein runder diesmal. Runde Geburtstage machen aber nur Spaß, solange man unter dreißig ist, danach wird es kritischer. Bis dahin war man jung, plötzlich wird man »reif«. Noch schlimmer ist es, wenn man doppelt so alt wird. Über Nacht gehört man zu den Senioren und hat Anspruch auf einen Platz im Altersheim. Sämtliche Statistiken, Meinungsumfragen und was es sonst noch an Erhebungen gibt, ziehen bei 60 eine Grenze. Bis 59 wird gestaffelt, ab dann heißt es » 60 und darüber«, wobei die Skala nach oben immerhin offen bleibt.
Runde Geburtstage erfordern von den nicht unmittelbar Betroffenen erhöhte Anstrengungen. Vor allem braucht man ein besonderes Geschenk – eben weil es ein runder Geburtstag ist. Herauskommt meistens etwas, mit dem der Beschenkte wenig anfangen kann und nur auf eine passende Gelegenheit wartet, die Gabe wieder loszuwerden, was spätestens bei der Sammelaktion für das alljährliche Schulfest der Fall ist. Die für den Flohmarkt Verantwortlichen nehmen alles!
Ich erinnere mich noch genau an jenen Tag, an dem Sven seinen ersten runden Geburtstag feierte und wir uns tagelang den Kopf wegen des besonderen Geschenks zerbrochen hatten. »Ich habe damals zu meinem Zehnten einen Atlas bekommen«, hatte
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