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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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unser Gepäck selber die breite Steintreppe hinauf. Sie führte zu einem großen quadratischen Flur, der auf zwei Seiten in einen endlos langen Gang mündete. Möbliert war er mit einigen Sitzgruppen aus volkseigenem Plaste sowie mehreren Blumenkübeln, die aber nur mit Sand gefüllt waren. Hellem Sand.
    Unser Zimmer war gleich das zweite. Steffi öffnete die Tür und blieb wie angewurzelt stehen. »Wow! Das reinste Luxus-Appartement!«
    »Nun geh doch mal weiter!«, drängte ich. »Staunen kannst du immer noch.« Doch dann staunte ich auch. Maximal zehn Quadratmeter groß, enthielt das Zimmer zwei Betten nebst Nachttischen, einen schmalen Kleiderschrank, einen Tisch und einen Stuhl. »Hier ist ja nicht mal Platz für die Koffer! Wenn das früher ein Ferienheim gewesen ist, Määm, dann möchte ich mal wissen, wie die Gäste das l 4  Tage lang in so einer Zelle ausgehalten haben. Sobald einer rumläuft, muss der andere aufs Bett, sonst tritt man sich gegenseitig auf die Füße.«
    »Er kann ja solange auf den Gemeinschaftsflur gehen.« Ich setzte mich auf den Bettrand und zog Steffi neben mich. »Schon vor der Abreise habe ich dir gesagt, dass wir Abstriche machen müssen. Nach einem halben Jahrhundert Misswirtschaft kannst du doch keine Wunder erwarten! Wohnungen sind erst mal wichtiger als Hotels, also greift man auf das zurück, was schon vorhanden ist. Das Zimmer hier ist sauber, und zum Schlafen reicht es. Betrachte die Sache einfach mal von der komischen Seite!«
    Sie grinste ein wenig schmerzlich. »Der Humor vergeht mir aber, wenn mir buchstäblich die Decke auf den Kopf fällt. Guck mal nach oben!«
    Direkt über dem Kopfende des Bettes hatte sich ein großes Stück Putz gelöst. Wie lange es da halb abgebrochen schon hing, weiß ich nicht, doch es sah aus, als würde es jeden Augenblick herunterfallen.
    »Unter diesem Schafott schlafe ich jedenfalls nicht!«, erklärte Steffi kategorisch.
    Ich wuchtete den Koffer aufs Bett und klappte ihn auf. »Kannst du mal nachsehen, ob die Dusche funktioniert?«
    Sie öffnete die gegenüber dem Kleiderschrank befindliche kleine Tür. Erst hörte ich gar nichts, dann die von verhaltenem Lachen begleitete Frage: »Welche Dusche?«
    »Wieso? Ich hatte ausdrücklich um Zimmer mit Bad gebeten.«
    »Na, dann sieh dir das Bad am besten mal an!« Sie trat einen Schritt zurück, weil ich sonst gar nicht hineingekommen wäre, und dann stand ich auch schon direkt vor der Toilette. Auf der Wand dahinter zeichnete sich ein prachtvolles Gemälde ab. Noch nie hatte ich eine so schöne und vor allem so große Schimmelkultur gesehen. Zum »Bad« gehörten noch ein Waschbecken von Vogeltränkengröße und unter dem Spiegel eine schmale Ablage mit zwei Plastikbechern. Das war alles. Mehr wäre auch gar nicht hineingegangen. Auf dem Klodeckel lagen zwei Handtücher Marke VEB Kombinat Weißwäsche oder so ähnlich.
    Wir sahen uns beide an, und dann brüllten wir vor Lachen los. »Heute ist Montag«, gluckste Steffi, als sie sich endlich beruhigt hatte, »zum Wochenende sind wir wieder in Berlin, also was soll’s? Früher hat man auch bloß samstags gebadet.«
    Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, dass es in diesem riesigen Kasten nicht irgendwo eine Duschgelegenheit geben sollte. »Jetzt gehst du mal nach unten und erkundigst dich! Und bring eine Blumenvase mit!«
    Steffi trabte ab, und ich fing an, wenigstens einen Teil des Koffers auszupacken. An der Innentür des Schranks entdeckte ich ein »Inventar-Verzeichnis«, auf dem bis zum Wäschetrockner alles genau aufgelistet war, was sich in diesem Appartement befand – einschließlich Toilettenbrille, beige, und Gemälde mit Blumen, bestehend aus einem kunststoffgerahmten Kalenderblatt. Nur den Wäschetrockner hatte ich noch nirgends entdeckt, dabei müsste so ein Möbel doch zuerst ins Auge fallen. Ich fand ihn schließlich in Form eines fünfarmigen Plastikhalters über der Toilette. Die stammte wohl auch noch aus den Gründerjahren des Arbeiter- und Bauernstaates; wer zieht denn heute noch an einer Kette, wenn er die Spülung betätigen will?
    Steffis unterdrücktes Gekicher hörte ich schon von weitem. Kaum hatte sie die Zimmertür hinter sich geschlossen, warf sie sich aufs Bett und brach in unbändiges Gelächter aus. Sie konnte sich gar nicht beruhigen.
    »Jetzt hör endlich auf mit dem blöden Gegacker! Sag lieber, was los ist! Gibt es eine Dusche, oder müssen wir unter die Pumpe im Hof?«
    »Nein«, kicherte sie, »oder

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