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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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doch. Den Gang runter und da irgendwo in der Mitte. Gemeinschaftsdusche Frauen soll dranstehen. Aber das andere ist ja viel komischer …« Sie bekam einen neuen Lachanfall. Es dauerte lange, bis sie einen halbwegs verständlichen Satz zusammenbrachte. »Die Rezeptionstante hat mich nämlich gefragt – hihihi –, ob wir die Frühstücksbons – hahaha – extra bezahlen, oder ob sie die mit – hihihi – auf die Rechnung setzen soll.«
    »Die – was???«
    »Genauso habe ich auch geguckt«, nickte sie, die Tränen aus den Augen wischend. »Frühstück bekommt man nämlich nur mit einem Bon, und den muss man sich für fünf Mark an der Rezeption holen. Hast du so was schon mal gehört?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Andere Länder, andere Sitten!« Eine logische Erklärung fiel mir aber doch noch ein. »Wenn das Haus früher voll belegt gewesen ist, und daran zweifle ich keine Minute, dann müssen ungefähr tausend Urlauber hier durcheinandergequirlt sein. Wie soll da ein Mensch den Überblick behalten?«
    »Ach, du meinst, es haben welche zweimal gefrühstückt?«
    »Hältst du das für ausgeschlossen?«
    »Na ja«, gab sie zu, »so gesehen hatten diese Bons wohl ihre Berechtigung. War es nicht überhaupt Genosse Lenin, der mal gesagt hat: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? Aber das ist doch jetzt nicht mehr nötig. Soviel ich gesehen habe, sind wir die einzigen Gäste.«
    »Na wenn schon! Das hat man seit Jahrzehnten so gemacht, und dabei bleibt es eben. Gewohnheiten sind ein beliebter Ersatz fürs Nachdenken.«
    »Du hast ja recht«, sagte Steffi, sich endlich vom Bett aufrappelnd, »jetzt gib mir mal zehn Mark, damit ich die Dinger holen kann. Wenn ich schon kein vernünftiges Abendessen kriege, will ich wenigstens richtig frühstücken können. – Ach ja«, fiel ihr noch ein, »eine Blumenvase haben sie auch nicht.«
    Die Duschen fanden wir noch. Es waren insgesamt fünf, die nebeneinander aufgereiht an der Wand hingen, und erstaunlicherweise funktionierten. Das Bügelbrett in der Ecke hielt ich so lange für eine gute Idee, bis ich feststellen musste, dass kein Eisen da war.
    »Dafür musst du dir wahrscheinlich an der Rezeption einen Bon holen, und im dritten Stock kriegst du es dann ausgehändigt«, ulkte Steffi. »Sag mal, wie soll man sich denn mit diesem Küchenhandtuch abtrocknen? Das reicht ja gerade für die Haare.«
    »Der kluge Mann baut vor.« Ich gab ihr eins der beiden mitgebrachten Badetücher. »So was Ähnliches habe ich schon geahnt.«
    Frisch gefönt und auch sonst halbwegs restauriert stiegen wir wieder ins Auto, um den vermutlich schon zahlreich Versammelten westdeutsches Kulturgut zu Gehör zu bringen! Drei Bücher hatte ich mir unter den Arm geklemmt, wollte erst abchecken, welche Lektüre denn wohl angebracht sein würde, doch genaugenommen hätte ich gar keine gebraucht. Kaum hatten wir uns die schlecht beleuchtete, knarrende Holztreppe bis zum ersten Absatz hinaufgetastet, als sich oben eine Tür öffnete. »Fallen Sie bloß nicht hin!«, sagte Frau Bort.
    Der Gemeindesaal war möbliert mit langen Tischen nebst vielen Stühlen, von denen tatsächlich drei besetzt waren. Zusammen mit unserer Gastgeberin waren es also schon vier weibliche Zuhörer. Wenig später kamen noch zwei, doch zehn Minuten nach acht musste ich einsehen, dass sich mein Auditorium wohl nicht mehr vergrößern würde.
    »Schick sie wieder nach Hause!«, wisperte Steffi. »Vorher kannst du ja jeder ein Buch in die Hand drücken, dann sollen sie selber lesen!«
    »Das kann ich nicht machen«, flüsterte ich zurück, »jetzt sind sie schon mal da, und nun muss ich ihnen auch etwas bieten. Bloß was?«
    »Sei’n Sie mal nicht traurig, dass wir so wenige sind«, sagte plötzlich die gemütlich aussehende Frau hinten in der Ecke, »das liegt bestimmt an dem Mistwetter.« Sie stand auf und reichte mir die Hand. »Ich bin Frau Gutebrodt, und ich freue mich, dass Sie zu uns gekommen sind. Ihre Kollegen gehen nämlich immer bloß in die Großstädte wie Dresden, Leipzig und Berlin. Da kommt unsereins doch gar nicht hin.«
    »Wir klatschen nachher auch doppelt so laut!«, versprach eine andere. Die übrigen fünf nickten eifrig und fingen auch gleich damit an.
    Lange gelesen habe ich nicht an jenem Abend, stattdessen musste ich unzählige Fragen beantworten, von denen die wenigsten etwas mit Büchern zu tun hatten. Wie denn die Stimmung in Westdeutschland sei, wo doch alle so viel für den Osten bezahlen

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