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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Menschenauflauf, und soweit ich das beurteilen konnte, rückte die Schlange zwar langsam, aber kontinuierlich vorwärts. »Da ist überhaupt nichts passiert, die Leute wollen lediglich Geld holen.«
    »Und deshalb stehen sie bis draußen?«
    »Na ja, vielleicht hat bloß ein Schalter auf.«
    »Das will ich genau wissen!« Sie lief über die Straße, baute sich vor dem Schaukasten auf und studierte scheinbar den Aktienmarkt. Nachdem sie noch einen Blick durch die Tür ins Innere der Bank geworfen hatte, kam sie zurückgeschlendert. Allerdings konnte sie sich nur mühsam das Lachen verbeißen. »Wenn ich die Gesprächsfetzen richtig interpretiere, dann gibt es dort drüben seit zwei Tagen einen Geldautomaten. Jetzt wollen alle ausprobieren, ob das Ding auch wirklich funktioniert. Eben hat ein Mann bloß einen Zwanziger rausgeholt.«
    »Na und? Vielleicht braucht er nicht mehr.«
    Sie ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen. »Du weißt doch genau, was ich meine, Määm! Ich hab durch die Tür gelinst, der Schalterraum ist gähnend leer. Aber niemand geht rein, lieber stehen sie sich draußen die Füße platt.«
    Steffi konnte das nicht verstehen. Sie ist das typische Wohlstandskind! Zwar weder verwöhnt noch verzogen, aber aufgewachsen in den Sechzigern und Siebzigern, als Krieg und Nachkriegszeit überwunden waren und der Nachholbedarf weitgehend gestillt war. Sie ist groß geworden mit Waschmaschine, Farbfernseher, Urlaubsreisen und Dreigang-Fahrrad, die erste Mikrowelle war für sie nichts anderes als ein Herd en miniature, in dem aber alles wesentlich schneller warm wurde, und Automaten, aus denen sie vom Nelkenstrauß bis zur Strumpfhose alles nur Denkbare ziehen konnte, waren eine Selbstverständlichkeit für sie. Den ersten Bankomat hatte sie denn auch nur folgerichtig mit: »Das wurde auch langsam Zeit!«, kommentiert. Im Gegensatz zu mir kann sie sich nicht in die Lage derer versetzen, die jahrzehntelang hinterm Zaun gelebt haben, höchstens mal rübergucken durften und erst jetzt so allmählich das bekommen, was sie bisher nur von weitem gesehen hatten.
Ich
kann sie nur zu gut verstehen. Wie hatte ich damals den Kasten bestaunt, der die Fahrkarten automatisch entwertete und den U-Bahn-Schaffner überflüssig machte. Ich staune ja auch heute noch, und zwar immer dann, wenn ich einen Computer sehe, auf dessen Bildschirm je nach Bedarf die Börsenkurse erscheinen, das örtliche Telefonbuch oder der Grundriss vom Kölner Dom. Am meisten bestaune ich aber jene intelligenten Menschen, die mit Computern umgehen können. Doch das ist ein anderes Thema.
    Nach dem Rieseneisbecher hatte Steffi nun doch keinen Hunger mehr auf Krusta mit versch. Belag, stattdessen kaufte sie drei Spreewälder Gurken, süßsauer eingelegt, und verspeiste sie gleich aus der Tüte. Mir wurde schon vom Zusehen schlecht. »Sag mal, du bist nicht eventuell schwanger?«
    »Wieso?«, fragte sie mampfend. »Nur weil ich nach dem süßen Zeug was Herzhaftes brauche?«
    »Ich finde diese Kombination etwas ungewöhnlich. Ein Leberwurstbrötchen könnte ich noch verstehen, aber saure Gurken …?«
    »Rollmöpse hatten sie ja nicht.«
    Im Innern des Wagens herrschte Saunatemperatur. Er hatte fast zwei Stunden in der Sonne gestanden. »Klimaanlage im Auto wäre keine so schlechte Idee!« Steffi riss alle vier Türen auf. »Warum kaufst du nicht endlich mal ein Cabrio?«
    »Wenn du mir mindestens fünfzig regenfreie Tage pro Jahr mit Temperaturen über 25  Grad garantieren kannst, tu ich es.«
    »Hahaha«, machte sie bloß, »dazu müsstest du auswandern.«
    »Eben!«
    Die Ausfallstraße nach Norden fanden wir gleich, den Abzweig in Richtung K. erst nach intensivem Suchen. Es war ein besserer Feldweg. »Selbst eine Landstraße dritter Ordnung sollte ausgeschildert sein«, meckerte Steffi, die Ideallinie durch ein bettlakengroßes Schlagloch suchend. »Hältst du es für möglich, dass die Erde
doch
eine Scheibe ist und da hinten bei der Kurve plötzlich aufhört? Von hier sieht es so aus, als ob danach nichts mehr kommt.«
    Die Gefahr, unverhofft ins Nichts zu stürzen, war wesentlich geringer als die Wahrscheinlichkeit, irgendwo mit dem Auto liegen zu bleiben, und da wir schon seit etlichen Kilometern keinen Menschen mehr gesehen hatten, würde uns so bald auch niemand finden. »Dreh um!«
    »Wie denn?«, schrie sie mich an. »Soll ich etwa in dem Kartoffelacker wenden? Oder ist dir der Weizen lieber?«
    Der Weizen entpuppte sich bei näherem

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