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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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so lange übereinander, bis Dagi wieder aufkreuzt und sich der Sache annimmt. »Früher ist er bestenfalls vier Tage ausgekommen«, hatte sie mal erwähnt, »doch seitdem er das ganze Porzellan von seiner Mutter geerbt hat, kann er sich auch nach zwei Wochen noch saubere Teller aus dem Schrank nehmen, und ich sitze dann den ganzen Nachmittag in der Küche und jage einen Spülgang nach dem anderen durch die dämliche Maschine.«
    Steffi fand sich also notgedrungen damit ab, ein weiteres Mal bei einem Froschkonzert einschlafen zu müssen, und als wir uns am nächsten Morgen verabschiedeten, taten wir es mit der Zusage, uns ganz bestimmt wieder zu melden. Steffi versprach unserem kleinen Grillmeister, ihm ihre ganzen alten Puzzles zu schicken, was sie auch wirklich getan hat, und wenn der geplante private Besuch bisher auch immer wieder aufgeschoben worden ist, so schreiben wir uns wenigstens einmal im Jahr einen ausführlichen Brief. Deshalb weiß ich auch, dass die Ferienwohnung inzwischen sogar noch eine kleine Küche bekommen hat und sich die Gäste im Löwenzwinger immer sehr wohl fühlen. Manche kommen sogar jedes Jahr wieder. Verständlich, denn uns hatte es ja auch großartig gefallen.

[home]
    Fahrerwechsel
    G uck mal, Määm, gleich hängen wir in einem richtig schönen Stau! Die Zivilisation hat uns wieder.«
    Es mag Auffassungssache sein, ob man in einem Verkehrsstau den Inbegriff der Zivilisation sehen will, aber auch ich fand es keineswegs frustrierend, im Schneckentempo von Ampel zu Ampel kriechen zu müssen. So hatte ich doch Gelegenheit, mich über die bunten Reklameschilder zu freuen, über den Trubel und über die vielen Menschen, die die Straßen bevölkerten. Wir waren wieder in Berlin! In Westberlin!
    Schon lange vor dem Fall der Mauer war ich häufiger in Ostdeutschland gewesen, allerdings immer nur bei Freunden in Erfurt, und dort ist mir die Tristesse von Ossiland nie so recht zu Bewusstsein gekommen. Genau wie Berlin, Dresden und Weimar gehörte auch Erfurt zu den Touristenzielen und genoss Privilegien, die es für andere Städte nicht gegeben hatte. Die Häuser in den Fußgängerzonen hatten nie so heruntergekommen ausgesehen wie die anderen, für sie muss wohl immer genügend Farbe da gewesen sein, Cafés und Restaurants hatten sich speziell im Sommer, wenn man draußen sitzen konnte, kaum von den hiesigen Gaststätten unterschieden, und auch die Geschäfte waren meistens besser bestückt gewesen als üblich. Trotz aller Unzulänglichkeiten haben diese Städte gelebt, während ich woanders immer das Gefühl gehabt hatte, sie würden lediglich
existieren.
    Mit Sicherheit ist dieser Eindruck falsch gewesen. Trotzdem kam es mir beim Anblick des quirligen Betriebs rund um die Gedächtniskirche vor, als sei ich nicht vier Tage, sondern mindestens vier Wochen lang durch das graue Einerlei der ostdeutschen Provinz gefahren. Ein bisschen hatte mich die ganze Atmosphäre an die Zeit unmittelbar nach dem Krieg erinnert, als die Menschen fast alle mit stumpfen, grauen Gesichtern herumgelaufen waren. Sie hatten damals auch nicht gewusst, wie es weitergehen würde, sie hatten nur hoffen können.
    Steffi schien ähnliche Empfindungen zu haben. Sie trällerte etwas vor sich hin, das man mit viel gutem Willen als »Pretty Woman« identifizieren konnte (wir können ja alle nicht singen!), und schimpfte nicht mal, als ihr ein dicker Daimler die Vorfahrt nahm. »Meinetwegen brauchen wir nicht großartig essen zu gehen«, sagte sie plötzlich, »mir genügt ’ne Frittenbude.«
    Diese ungewohnte Bescheidenheit überraschte mich denn doch, aber die Begründung kam sofort: »Ich dachte mir, dass wir vielleicht heute Abend alle zusammen …«
    »Heute Abend« bedeutete mindestens fünf Personen, denn selbstverständlich würde auch Dagi mitkommen, was den Schluss nahelegte, dass dann Victor ebenfalls mit von der Partie sein würde. Also sechs! Dagis Stammkneipe war zwar recht gemütlich, Wirsingkohl leider nicht jedermanns Sache, und ob das Finanzamt die Rechnung als Reisespesen anerkennen würde, blieb auch noch dahingestellt …
    Steffi schien zu ahnen, was sich in meinem Kopf abspielte. »Nu’ gib dir mal einen seelischen Ruck! Immerhin sparst du doch die Hotelkosten für uns alle.«
    Damit hatte sie wiederum recht. Schließlich hatte uns Dagi für die kommenden zwei Nächte ihre ganze Wohnung zur Verfügung gestellt, während sie selbst in Nikolassee schlafen würde; das sollte man ja auch honorieren. »Also

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