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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Stunden pro Tag arbeiten, weil er nicht mehr länger acht Stunden täglich für einen anderen hatte arbeiten wollen. »Ich hätte wenigstens eine etwas originellere Ausrede erwartet.«
    »Das ist keine Ausrede, das ist eine Tatsache«, protestierte er.
    »Als Tatsachen bezeichnen wir Dinge, denen wir nicht mehr weiter auf den Grund gehen wollen. Aber eins kannst du mir trotzdem verraten: Ist sie blond?«
    »Hältst du mich für so phantasielos?«, kam es sofort zurück. »Was soll ich denn mit zwei Blondinen?«
    Richtig, Dagi ist ja auch eine. »Na gut, dann amüsiere du dich mit der Brünetten, und ich werde versuchen, deine Blondine den lüsternen Blicken unserer männlichen Begleiter möglichst fernzuhalten.«
    Jetzt wurde er hellhörig. »Ich denke, da ist nur der Freund von deiner Tochter mitgekommen.«
    »Der Freund hat aber noch einen Freund mitgebracht.« Thomas und Horst Hermann als Freunde zu bezeichnen war blanker Hohn. Wenn man die zwei in ein Becken mit einem Hai steckt, kriegt der Hai eine Identitätskrise! Davon mal ganz abgesehen, hatten die beiden Männer ihre Gastgeberin zwar artig begrüßt, sich dann aber nicht weiter um sie gekümmert.
    »Wo wollt ihr überhaupt essen gehen?«, fragte Victor scheinbar nebenbei. »Du kennst dich doch hier gar nicht mehr aus.«
    »Ins Daitokai.«
    »Das ist doch ’ne typische Touristenfalle«, meinte er abfällig, »Berliner gehen da gar nicht hin.«
    »Warst du denn schon mal dort?«
    »Natürlich nicht.«
    »Siehste, aber ich! Und ich kann mich erinnern, eine ganze Menge Berliner gesehen zu haben. Mich eingeschlossen. Aber du musst ja nicht mitkommen! Ist vielleicht auch besser; hinterher wollen wir noch ein bisschen bummeln gehen, und über so was bist du sicher auch erhaben. Das machen nur Touries. Solltest du es dir aber doch noch anders überlegen, dann sei wenigstens pünktlich. Der Tisch ist für neun Uhr reserviert.«
    »Das ist sowieso viel zu spät«, hörte ich ihn noch räsonieren, bevor ich den Hörer auflegte.
    »Und ob der kommt!«, sagte Dagi nur.
    Sie behielt recht. Wir bekamen gerade die obligatorischen großen Lätzchen umgebunden, als Victor auch schon das Bonsai-Gärtchen durchschritt, die kleine Brücke überquerte und sich suchend umsah. Er hatte uns sofort entdeckt und kam mit großen Schritten näher. »Guten Abend.«
    Nun erfordert es die Etikette, dass man zur Begrüßung aufsteht. Zumindest die Herren sollten das tun, und unsere beiden gaben sich auch redlich Mühe, der Höflichkeit zu genügen, nur ist das in einem japanischen Restaurant nicht so ganz einfach. In der Regel sitzt man auf fest installierten Bänken, der Tisch ist ebenfalls angeschraubt, und wer einmal Platz genommen hat, sollte nach Möglichkeit nicht mehr aufstehen müssen. Tut man es doch, steht man mit eingeknickten Knien und devot vorgebeugtem Oberkörper da. Den Japanern scheint das nichts auszumachen, sie begrüßen sich immer so. Europäer erwecken in dieser Haltung einen leicht debilen Eindruck. Victor war entschieden im Vorteil, er stand aufrecht und konnte seine volle Länge von 1 , 78  Metern entfalten.
    Nur einen kurzen Blick hatte Dagi auf ihren Lebensabschnittsbegleiter geworfen, als sie sich zu mir herüberneigte. »Sieht er nicht schon wieder aus, als sei er gerade aus dem Bett gestiegen?«
    »Leinen knittert edel«, zitierte ich den Slogan bundesdeutscher Textilhersteller, der mich trotz – oder gerade wegen! – zweier eigener Leinenblazer nie überzeugt hat. Auch Victors heller Anzug schrie förmlich nach einem Bügeleisen, das Oberhemd hätte zwei Nuancen dunkler sein müssen, und die Krawatte passte schon überhaupt nicht, doch was er anhatte, war nicht billig gewesen, und folglich musste es Dagi besorgt haben. »Für sich selber gibt er nie Geld aus«, hatte sie mir mal erzählt, »für offizielle Anlässe hat er seinen Smoking, und sonst ist es ihm völlig wurscht, wie er herumläuft. Wenn er einen Hundertmarkschein wechselt, hat er bereits Angst, demnächst unterhalb der Armutsgrenze leben zu müssen. Dabei könnte er sich schon morgen zur Ruhe setzen und seinen Hobbys frönen.«
    »Hat er denn welche?«
    »Ja. Langbeinige Stewardessen.«
    Nachdem er seine vermeintlichen Rivalen um Dagis Gunst in Augenschein genommen und als ungefährlich eingestuft hatte, wurde Victor zusehends umgänglicher. Er stellte für Horst Hermann und Thomas eine »Berlinanfänger-Besichtigungstour« zusammen, die auch so wichtige Stationen wie Transvestiten-Show und

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