Schuld war nur die Badewanne
gut, wir gehen essen, und ich lade euch alle ein. Fragt sich nur noch, wohin.«
Selbst darauf wusste Steffi sofort eine Antwort. »Du hast doch immer von diesem japanischen Restaurant im Europa-Center geschwärmt! Können wir da nicht hingehen?«
Jetzt war sie total übergeschnappt! Es stimmte, dass ich dort mal ausgezeichnet gegessen hatte, doch das lag mindestens acht Jahre zurück, und außerdem hatte der Verlag die Fressorgie bezahlt als Belohnung für zwei Tage »Öffentlichkeitsarbeit«, worunter ein total verpatztes Rundfunkinterview zu verstehen ist und drei Signierstunden, die auch nicht gerade das gehalten hatten, was ihre Initiatoren sich erwartet hatten. Gegen Straßenbauarbeiten vor der Ladentür, kombiniert mit einem zünftigen Landregen, ist auch der rührigste Buchhändler machtlos.
Nach Ansicht der meisten Verleger lassen sich frustrierte Autoren am besten dadurch besänftigen, dass man sie erst mal abfüttert. Ich kann mich zwar erinnern, dass ich seinerzeit weder frustriert noch besonders hungrig gewesen war, doch die als Babysitter abkommandierte Begleitmannschaft hatte auf einem angemessenen Ambiente bestanden und mich ins »Daitokai« eskortiert. Dass es ein recht amüsanter Abend geworden war, habe ich schon irgendwann mal erzählt, doch wie teuer er gewesen ist, weiß ich nicht, denn es brauchte mich nicht zu interessieren.
Ich
musste ja nicht die Scheine aus der Tasche ziehen!
Eingedenk der Tatsache, dass es schon damals wahrscheinlich eine ganze Menge gewesen waren, appellierte ich an Steffis Vernunft. »Geht’s nicht eventuell etwas billiger?«
»Sei nicht so geizig, Mami«, schmeichelte sie. »Wann kommen wir Landeier schon mal in die große weite Welt? Bei uns gibt es doch so etwas Exotisches nicht.«
Wer hat behauptet, dass Töchter nur ihre Väter um den Finger wickeln könnten? Unsere schaffen es auch bei mir! »Also gut, essen wir eben die Vier Jahreszeiten oder das Menü Blaue Lagune oder die Fische aus dem Teich der Freuden … Japanische Speisekarten sind immer sehr blumenreich, man weiß bloß nie, was sich dahinter versteckt.«
»Wir machen es einfach wie beim Chinesen. Jeder bestellt etwas anderes, und dann futtern wir uns quer durch.«
Bisher waren wir etwas ziellos herumgefahren in der Hoffnung, irgendwo eine Parklücke zu entdecken, doch nun steuerte Steffi ein unterirdisches Parkhaus an. Es war übrigens erstaunlich leer. Aus gutem Grund, wie sich später herausstellte, denn welcher Trottel zahlt schon zehn Mark pro angefangener Stunde? Außer mir natürlich.
»Jetzt reservieren wir erst mal einen Tisch für heute Abend«, bestimmte Steffi, meine stille Hoffnung begrabend, es würde sich doch noch eine preiswertere Futterquelle finden lassen.
Der deutsche Oberkellner musterte uns von Kopf bis Fuß, ehe er sich dann doch bequemte, seinen Reservierungsplan zu holen. Offenbar war es unüblich, dass man selber auf der Matte stand, statt anzurufen oder ein Fax zu schicken. Sechs Personen? Hm, etwas schwierig, wird sich jedoch machen lassen, allerdings erst zur zweiten Schicht.
»Was habe ich darunter zu verstehen?«
Er sah mich an, als hätte ich ihn gefragt, wo Tokio liegt. »Wenn Sie gegen 21 Uhr kommen, wird der Tisch wieder frei sein.«
»Das habe ich ja noch nie gehört«, wunderte sich meine Tochter, als wir wieder draußen standen. »Du vielleicht?«
»Ja. Im Speisewagen von der Bundesbahn!«
Vier Stunden später war ich fußlahm. Wir hatten so ziemlich alle Boutiquen im Umkreis von zwei Kilometern inspiziert, das KDW durchwandert und uns, wie üblich, hoffnungslos darin verlaufen, hatten ungefähr vierzehn Paar Schuhe anprobiert und dann doch keine gekauft, hatten meine Bluse mit Eis bekleckert, eine Ansichtskarte an Irene geschrieben und bei jeder Telefonzelle versucht, Dagi anzurufen. Schließlich musste ich mich damit abfinden, dass sie wohl nicht zu Hause war. »Wer wen missverstanden hat, weiß ich nicht, doch jetzt bleibt uns nichts anderes übrig, als schleunigst nach Schöneberg zu fahren und Wache zu schieben. Wenn Nicki und Thomas nicht schon da sind, können sie jede Minute einreiten. Vielleicht sitzen sie bereits vor der Haustür.«
»Glaube ich nicht«, winkte Steffi sofort ab, »die müssen ja auch erst mal die Straße finden.«
Hätte ich nicht automatisch auf die Klingel gedrückt, obwohl das bei einer leeren Wohnung eigentlich sinnlos ist, dann wären wir wahrscheinlich auf den Treppenstufen hockengeblieben und hätten gewartet. So
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