Schuld war nur die Badewanne
welcher Seite ihre Eier ausgebrütet worden waren.
Um uns herum krabbelte und hüpfte es, Libellen schossen wie Pfeile an unseren Köpfen vorbei, links quakte es, rechts zwitscherte etwas – Natur total. Nicki zog auch gleich ihre Schuhe aus. »Was meinst du, kann man hier noch stehen, oder geht es gleich tief runter?« Vorsichtig steckte sie einen Fuß ins Wasser.
»Das wirst du gleich merk…«
Die Frage hatte sich bereits erübrigt! Ich hörte es nur noch platschen und gleich danach ein Gurgeln: »So eine Schei…!«
Das entgeisterte Gesicht, mit dem meine Tochter wieder auftauchte, trieb sogar die Schwäne in die Flucht. »Das Wasser ist noch verflixt kalt«, schimpfte sie, mir einen Arm entgegenstreckend. »Hilfst du mir mal raus? Am Ufer ist es so glitschig, deshalb bin ich auch abgerutscht.«
Es war gar nicht so einfach, sie wieder aufs Trockne zu ziehen. Der Ertrinkende klammert sich bekanntlich an einen Strohhalm, und das erfolglos (um falschen Vermutungen vorzubeugen: Nicole hat schon vor Jahren den Rettungsschwimmer gemacht), aber genauso erfolglos ist es, wenn man sich an Land an einem Grashalm festhalten will! Zwei ganze Büschel hatte ich schon herausgerissen, und fast wäre ich selber ausgerutscht und im Fluss gelandet, bevor ich endlich ein bisschen Gestrüpp zu fassen bekam. Bibbernd kletterte sie an Land. »Und was nu?«
»Klamotten runter! In der Sonne sind sie in einer Stunde wieder trocken. Früher hat man die nasse Wäsche auch auf die Bleiche gelegt.«
»Aber bestimmt kein blaues T-Shirt.«
»So was hat es damals noch gar nicht gegeben. – Nun los, beeil dich, damit du die Sachen runterkriegst.«
Zähneklappernd sah sie mich an. »Ich kann mich doch hier nicht nackt ausziehen!«
»Ich glaube nicht, dass die Schwäne Anstoß daran nehmen werden. Und sonst ist ja niemand da.«
Noch immer zögernd streifte sie die Shorts ab. »Aber wenn nun doch jemand kommt?«
»Dann können wir immer noch überlegen, was wir machen.« Ich wrang die einzelnen Kleidungsstücke aus und hängte sie über einen Ginsterbusch. »Weshalb stellst du dich überhaupt so an? Am Strand, wo tausend andere Leute sind, liegt ihr oben ohne, und was ihr unten anhabt, ist auch nicht größer als ein Taschentuch.«
»Das ist ja ganz was anderes«, wehrte sie ab, »da läuft jeder so rum.«
Es dauerte doch länger als eine Stunde, und selbst dann hätte man Nickis Hosen noch als »bügelfeucht« bezeichnen müssen, aber alles andere war trocken, und nun wollte sie schnell in unser Motel zurück und sich wieder in einen »menschenähnlichen Zustand« versetzen.
Die Haare waren natürlich ebenfalls nass geworden, inzwischen jedoch getrocknet, aber jetzt war ihnen eine gewisse Ähnlichkeit mit einem geplatzten Sofakissen nicht abzusprechen. »Ein Glück, dass ich in diesem Aufzug nicht durch ein Hotelfoyer laufen muss«, sagte sie, fuhr den Wagen fast bis auf die Terrasse und stürzte hinaus. Gleich danach bumste es. Die Tür klemmte immer noch, und Holz ist nun mal widerstandsfähiger als ein menschlicher Kopf!
Weshalb sie auf ihre Restaurierung so großen Wert gelegt hatte, war mir ohnehin ein Rätsel. Meine stille Hoffnung, sie würde sich den Genuss einer Lesung heute mal nicht entgehen lassen und mich begleiten, verflüchtigte sich, als sie nach einer geschlagenen Stunde im Jogginganzug vor mir stand. So etwas zieht sie nur an, wenn sie keinen Schritt mehr vor die Tür setzen wird. Ich besitze ja auch solch eine bequeme Gammelkluft, und es macht mir überhaupt nichts aus, in diesem wenig eleganten Aufzug mit Otto an der Leine die Gassirunde zu drehen, ich darf mich nur nicht von meiner Tochter erwischen lassen. »Ich denke, wir wollen noch eine Kleinigkeit essen, bevor ich weg muss.«
»Lieber danach«, erklärte sie, »jetzt genügen mir die Kekse.« Die hatte ich vor drei Tagen gekauft, quasi als eiserne Ration, man kann ja nie wissen, wann man sie mal braucht. Es sollen schon Leute im Auto eingeschneit und erst nach zwei Tagen gerettet worden sein! Zugegeben, nicht unbedingt im Mai! Da muss man wohl eher mit einem Ferienstau auf der Autobahn rechnen.
Ich überließ Nicki ihren pädagogischen Werken sowie der Notverpflegung, stieg ins Auto, fädelte mich in den Durchgangsverkehr ein und suchte die dritte Abzweigung rechts. Dass es schon die vierte gewesen war, merkte ich erst, als ich einen Ort erreichte, zu dem ich gar nicht gewollt hatte. Zum Glück gab es von dort wiederum eine Abkürzung, die mich genau
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