Schuld war nur die Badewanne
Studienrätin.
»Diese Wohnung ist quasi mein erster Lehrerbonus! Es gab natürlich noch andere Interessenten, aber ich war der einzige Pauker!« Sie zog ihre Altmetallsammlung aus der Tasche und öffnete die erste Tür. Wir schritten hindurch und dann acht breite, mit Fliesen bedeckte und auf Hochglanz gewienerte Stufen abwärts. Dann kam die nächste Tür. Zu der passte erst der vierte Schlüssel. »Ich muss die nachher alle mal markieren, aber mit der Zeit werde ich schon mitkriegen, welcher wozu gehört.«
Diese zweite Tür führte in einen großen quadratischen, ebenfalls gefliesten Vorraum, von dem erstaunlich viele Türen abgingen. Eine davon schloss Katja auf. »Du weißt ja, dass leere Räume nie anheimelnd wirken«, warnte sie mich, »und dass das Zimmer im Moment ein bisschen dunkel ist, liegt einmal an dem trüben Wetter und zum anderen an der Böschung, aber die wird noch zurückgeschnitten!«
Groß war das Zimmer wirklich, aber dunkel war es auch, obwohl es draußen überhaupt nicht trübe war – ganz im Gegenteil: Wir hatten nämlich einen der vier sonnigen Januartage des Jahres 1993 . Nur erschien das wuchernde Gestrüpp vor dem Fenster, von Sven immer abschätzig als Architektenunkraut bezeichnet, wie eine grüne Mauer, die den größten Teil des einfallenden Lichts schluckte. Ich sagte erst mal gar nichts, weil mir nichts Passendes einfiel, sondern öffnete die Tür zur Küche. Die sah wesentlich freundlicher aus. Durch das große Fenster fielen sogar Sonnenstrahlen und malten Kringel auf den Kachelboden. Zusammen mit den weißen Einbaumöbeln und den zwei weiß gekachelten Wänden wirkte der Raum zwar etwas steril, aber Katja würde ihm schon ihre persönliche Note aufdrücken. Für so was hat sie ein Händchen.
»Doch, hier lässt sich was draus machen«, bestätigte ich, »aber wo ist das Bad?«
»Na ja«, sagte Katja zögernd, »das ist nicht direkt in der Wohnung, oder – präziser ausgedrückt –, die Wohnung ist nicht in sich abgeschlossen. Komm mal mit!« Also wieder zurück ins Zimmer, weiter in den Vorraum und von dort zu einer der Türen. »Hier ist es!«
»Hm, bisschen sehr kompakt, nicht wahr?« Auf der linken Seite dieses Schlauchs befanden sich Waschbecken, Badewanne und Dusche, auf der rechten ein Handtuchhalter und ein Spiegel. Mehr hätte auch gar nicht Platz gehabt. Ein Fenster gab es nicht, und dass die Entlüftung nie so richtig funktionierte, stellte sich erst später heraus. »Ist die Toilette auch wieder woanders?«
»Ein Glück!« Katja machte die Badezimmertür zu, schloss sie ab und suchte nach dem nächsten Schlüssel. »Ich glaube, das hier ist er. Am besten hänge ich ihn neben die Zimmertür. Bei meinem Talent, ständig meine Schlüssel zu verkramen, könnte das in diesem Fall mal peinlich werden! – Na, hör mal, sooo ulkig ist diese Vorstellung nun auch wieder nicht!«, meinte sie unwillig, als ich plötzlich zu kichern anfing.
»Du weißt ja gar nicht, weshalb ich lache.« Mir war nämlich die winzige Wohnung meiner Urgroßmutter eingefallen, irgendwo im Zentrum Berlins und dann auch noch mit Blick auf einen Hinterhof, aber billig und der damaligen kleinen Witwenpension meiner Urgroßmutter gerade angemessen. Ein Badezimmer gab es natürlich nicht, nicht mal eine Toilette, denn die befand sich eine Treppe höher und wurde von mehreren Familien benutzt. Der Schlüssel zu dieser Installation, ungefähr zwanzig Zentimeter lang und entsprechend schwer, hing bei Uromi neben der Wohnungstür, aufgespießt auf einen großen Nagel. Damit er nicht mit dem kaum kleineren Hausschlüssel verwechselt werden konnte, hatte sie einen ausgekochten und dann sorgfältig gereinigten Markknochen drangebunden. Ob ich für Katja auch …?
Ihre Toilette war ebenfalls weiß gekachelt und fensterlos, beim Öffnen des Klodeckels sollte sich automatisch die Entlüftung einschalten. Eine Überprüfung der Technik war so auf die Schnelle nicht möglich, denn die Kloschüssel befand sich wohl noch im jungfräulichen Zustand und war rundherum zugeklebt. »Dann weiß ich wenigstens, dass sie vor mir noch niemand benutzt hat.« Nach einem zufriedenen Rundumblick schloss sie auch diese Tür wieder ab. »So, die Wohnungsbegehung ist zu Ende. Was sagst du denn nun?«
Anscheinend erwartete sie begeisterte Zustimmung, doch dazu konnte ich mich nicht aufraffen. Und überhaupt: »Wo führen eigentlich die anderen Türen hin?« Außer den mir bekannten gab es noch drei weitere, die
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