Schuld war nur die Badewanne
offensichtlich nicht zur Wohnung zählten.
»Die eine geht in den Heizungskeller, die neben dem Bad zum Wäschetrockenraum, und hinter der dritten ist der Gang zu den beiden Kellern. Die gehören den anderen zwei Mietern.«
Das musste ich erst mal verdauen. »Heißt das, du kannst nie mal eben nackend ins Bad oder auf die Toilette gehen, weil dir jederzeit ein Mitbewohner über den Weg laufen kann?«
»Na und? Das sind zwei alte Ehepaare, die sind schon jenseits von Gut und Böse. Außerdem sollen die sich seit Jahren spinnefeind sein und kaum mal hier runterkommen aus lauter Angst, einer würde dem anderen doch mal begegnen. Wäsche wird angeblich nie aufgehängt, um die Heizung kümmert sich irgend so ein Wartungsmensch, na ja, und in den Kellern steht bloß altes Gerümpel. Weshalb sollen die also hier herumschlappen?«
»Ach, dein Vermieter wohnt gar nicht hier?«
»Gott sei Dank nicht! Wenn ich mir vorstelle, der würde genauso nerven wie Nickis Hauswirtin … Das wäre glatt ein Grund gewesen, hier gar nicht erst einzuziehen.«
Diese Dame hatte ich allerdings auch schon kennengelernt. Eine Bilderbuchschwäbin mittleren Alters, verwitwet, nicht berufstätig, mit viel Zeit und festen Grundsätzen. Einer der ersten lautete: Vor ein Fenster gehört eine Gardine, und wenn da nach drei Wochen noch keine hängt, muss man darauf hinweisen! Was sie später auch tat und sich von Nicki sagen lassen musste, dass ihr Vorhänge und Grünpflanzen genügen und sie nicht daran dächte, solche »gerafften Lappen« anzubringen.
Die zweite Abfuhr bekam Frau Hummel, als sie von ihrem Balkon auf den von Nicki guckte und feststellen musste, dass dort auf dem Fensterbrett ein Aschenbecher mit zwei Kippen stand. Und das, wo sie die Wohnung doch ausdrücklich an eine Nichtraucherin vermietet hatte! Das schwarze Schaf war ja auch ich gewesen, nur hatte ich nicht geahnt, dass sich das Rauchverbot allem Anschein nach auch noch auf den Balkon bezog.
Frau Hummel registrierte genau, wann wie lange jemand zu Besuch kam, lernte sehr schnell, zwischen Freunden und Verwandten zu unterscheiden (»Hat Ihre Schwester ein neues Auto?« – nein, hatte sie nicht, es war Toms Wagen gewesen), und kontrollierte jedes Mal, ob Nicki auch ihrer Kehrwochenpflicht ordnungsgemäß nachgekommen war.
Apropros Kehrwoche: Über dieses schwäbische Ritual sind ja schon seitenlange Abhandlungen geschrieben worden, und dass die wenigsten davon übertrieben sind, mag folgende kleine Episode beweisen. Ich habe sie zwar nicht selber erlebt, doch die Zwillinge haben heilige Eide geschworen, die Sache habe sich haargenau so abgespielt.
Es war im darauffolgenden Sommer gewesen, als die Mädchen an einem Samstagnachmittag auf Nickis Balkon saßen und irgendwelchen Schulkram erledigten. Der Balkon ging zur Straße hinaus, und Katja bemerkte plötzlich, dass auf dem gegenüberliegenden Gehsteig zwei Frauen mit Kittelschürze, Schrubber und Wassereimer tuschelnd ihre Köpfe zusammensteckten und abwechselnd zum Balkon und zu Katjas am Straßenrand geparkten Wagen blickten. Schließlich wurde sie unruhig, vermutete einen geplatzten Reifen oder einen anderen Defekt und lief hinunter. Am Auto war nichts zu sehen. »Stehe ich etwa vor einer Ausfahrt?«, fragte sie höflich, obwohl das keineswegs der Fall war und der Wagen auch sonst nichts und niemanden behinderte.
»Noi, net direkt«, lautete die Antwort, »aber mer hend gerade die große Kehrwoche gemacht, ond mit dem Wasser tun mer sonst immer noch die Gosse bis zum Abfluss kehre.«
Ein paar Sekunden dauerte es, bis Katja den Sinn dieser Erklärung begriffen hatte. »Soll ich den Wagen ein Stück vorfahren?« Sie muss wohl große Mühe gehabt haben, sich das Lachen zu verbeißen.
»Ja, wenn Sie das mache täte …«
Sie tat es, und dann sahen die Mädchen von oben zu, wie mit einem Strohbesen und einem Eimer voll immer noch verwendbarem Schmutzwasser auch noch der Rinnstein geschrubbt wurde!
Nun war Katja also doch Wohnungsbesitzerin geworden und erklärte sofort alle Abmachungen für hinfällig. »Ich brauche zwar keine Küchenmöbel, aber wenigstens ein bisschen was zum Reinstellen. Was nützt mir der schönste Herd ohne Kochtopf? Mit dem ganzen Zeug von der Diele kann ich auch nichts mehr anfangen, das kann alles Nicki kriegen, wenn sie stattdessen den Staubsauger rausrückt und die Hälfte von dem Kleinkram, der immer mehr kostet, als man meint.«
Jetzt hatten sich die Mädchen endlich wieder
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