Schuld war nur die Badewanne
Loch, die kann sie ruhig haben – nun guck nicht so böse, dafür will ich ja keinen Gegenwert! –, die Mikrowelle behalte ich, weil Nicki den Staubsauger bekommt … bis hierhin ist alles in Ordnung, es geht nur noch um den Kleinkram. Da ist zum Beispiel der Besteckkasten, den du uns mal zu Weihnachten geschenkt hast. Auf den sind wir nämlich beide scharf! Und auf das Kaffeeservice. Nicki hätte auch gern die ganzen Gläser. Kann sie von mir aus kriegen, die haben mir sowieso nie gefallen, aber weil sie das weiß, hat sie den Gebrauchswert oder wie man das nennt entsprechend niedrig angesetzt. Genau wie die Kochtöpfe! Dafür hat sie die Dielenmöbel, die i c h gerne nehmen möchte, nach meiner Ansicht viel zu hoch kalkuliert. Ich fände es auch gerecht, wenn einer das Sofa bekommt und der andere die Essecke, aber Nicki meint, die Sachen gehören vom Design her zusammen. Ich könnte ja stattdessen die ganzen Lampen bekommen. Nun sag doch mal selber, findest du das gerecht?«
Dazu wollte ich mich nicht äußern. Was ist schon gerecht? »Nach welchen Kriterien legt ihr denn die Preise fest? Pi mal Daumen?«
»Nicht ganz«, sagte sie grinsend, »aber so ähnlich. Jeder schreibt seine Vorstellung auf einen Zettel, also ›großer Spiegel = DM 25 ‹ und ›Inhalt Küchenschublade links unten = DM 80 ‹, dazu gehört nämlich auch der Elektromixer, dann vergleichen wir die jeweiligen Zahlen und einigen uns meist auf den Mittelwert. Aber weil Nicki genau
weiß,
was ich haben möchte, schraubt sie genau diese Preise entsprechend hoch.«
»Ach, und wie ist das umgekehrt?«
»Ich kann doch für den Gläsersatz oder die Kochtöpfe nicht zweihundert Mark hinschreiben, wenn sie neu bloß hundertsiebzig gekostet haben! – Wir haben uns wegen dieser blöden Auseinanderdividiererei schon so in die Wolle gekriegt, dass wir manchmal den ganzen Tag lang kein Wort mehr miteinander gesprochen haben. Was glaubst du wohl, weshalb ich hier sitze und nicht in ihrer neuen Wohnung Tapeten an die Wände kleistere?« Sie seufzte tief. »Etwas ist mir in den letzten Tagen jedenfalls klar geworden. Ich werde nie heiraten! Wenn ich schon wegen ein paar lumpiger Möbel mit meiner Schwester in Dauerfehde liege, wie soll das erst bei einer richtigen Scheidung werden?«
Vierzehn Tage vor der geplanten Abschiedsparty und siebzehn Tage vor dem Umzugstermin (ich hatte schon wieder einmal in unserem Keller Platz geschaffen für Katjas Möbel – besser gesagt, ich hatte es versucht) fand sie doch noch eine eigene Bleibe, und zwar exakt 838 Schritte von unserer Haustür entfernt. Früher hießen Räume, in die man nicht hinauf-, sondern hinabsteigt, schlicht und einfach Keller. Dann fing man an, diese Räume zu isolieren, Heizungen sowie normale Fenster einzusetzen, nannte sie
Souterrain-Wohnungen
und vermietete sie. Lagen ihre Fenster nicht zur Straße hin, sondern nach hinten hinaus, wo ein paar Stiefmütterchen vor sich hinkümmerten und ein degenerierter Lebensbaum, dann handelte es sich um eine
Gartenwohnung.
Und genau eine solche hatte Katja angemietet. »Es gibt zwar nur ein Zimmer nebst Küche, aber beide Räume sind sehr groß, und was ich besonders toll finde: Die Küche ist komplett eingerichtet. Nagelneuer Herd, dito Kühlschrank, Waschmaschine, Keramikspüle, Einbauschränke …, alles vom Feinsten! Wenn ich wollte, könnte ich heute schon einziehen.« Zum Beweis legte sie einen gut bestückten Schlüsselbund auf den Tisch.
»Du liebe Zeit, das Ding ist ja waffenscheinpflichtig!«, staunte ich. »Was schleppst du denn da alles mit dir herum?«
»Haustürschlüssel, Vorraumschlüssel, Zimmerschlüssel, Badschlüssel, Kloschlüssel, Briefkastenschlüssel, Mülltonnenabstellraumschlüssel …«
»Hör auf!!! Verarschen kann ich mich selber!«
»Tu ich ja gar nicht«, sagte Katja grinsend, »aber bevor ich dir das alles verklickere, kommst du besser mit und guckst dir mein Refugium mal an. Es liegt wirklich nur zwei Ecken weiter.«
Das allerdings stimmte. Genaugenommen befand sich das Zweifamilienhaus mit der neu eingerichteten Gartenwohnung in unserer Parallelstraße und gehörte schon zum »Prominentenviertel«, wo sich auch unser Bürgermeister angesiedelt hat und der pensionierte Direktor der größten Kurklinik, ein Zahnarzt wohnt dort, der Besitzer vom Autohaus und andere, ähnlich honorige Mitbürger. Jenes Haus, in das nun Katja einziehen wollte, gehörte einem Studienrat und seiner Gattin, einer
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