Schuld war nur die Badewanne
Leckermäuler. Ich solle ihm ja etwas übriglassen, hatte Rolf gesagt, nachdem er mir noch beim Ausziehen des Esstisches geholfen hatte. Danach war er mit Handköfferchen und gewichtig aussehenden Papprollen unterm Arm von dannen geeilt und würde vor morgen Abend nicht zurückkommen. Erst dann konnte er davon ausgehen, dass er die gewohnte häusliche Ordnung wieder vorfinden würde – einschließlich warmem Süppchen und Sahnepudding!
Gegen eins würden sie da sein, hatte Nicki am Telefon gesagt, Doris sei nun doch nicht gekommen, und Steffi könne erst später mithelfen, Umzugsurlaub gebe es nämlich nur dann, wenn man selber umzieht. Ich sah auf die Uhr. Halb zehn erst, doch die Suppe sollte sich ja langsam erwärmen. In der Zwischenzeit könnte ich zusammen mit Otto die Würstchen holen. Der war auch noch nicht draußen gewesen.
Otto wollte nicht. Im Winter will er nie, ausgenommen bei Neuschnee, aber da keiner mehr fällt, betrachtet Otto das Gassigehen als überflüssig. Wozu hat er denn einen Garten? Seinen erst vorwurfsvollen, dann resignierenden Blick, sobald ich mit der Leine winke, kann man eigentlich nur so deuten:
Sie
will raus, aber alleine traut sie sich nicht, also zerrt sie mich mit und erwartet, dass ich mich darüber auch noch freue.
Sie
muss ja nicht immer mit’m Bauch durch den nassen Matsch!
Für einen Weg von maximal zehn Minuten brauchte ich mit dem Hund im Schlepptau eine knappe halbe Stunde. Zehn Minuten gingen drauf, um die empörte Dame zu beruhigen, der Otto den Zugang zu ihrem Fahrrad verweigert hatte. Wer seinerzeit auf die Idee gekommen war, den Fahrradständer neben die Hundeleinenanbindehaken zu stellen, weiß ich nicht, es kann kein Hundebesitzer gewesen sein. Sonst hätte er nämlich gewusst, dass diese Vierbeiner ziemlich energisch ihr Revier verteidigen, und da Otto großen Wert darauf legt, immer am selben Haken zu hängen, nämlich ganz außen links, war die Dame mit dem Fahrrad im Nachteil gewesen. Bis dahin reichte die Leine und folglich auch Ottos Einzugsbereich, den er knurrend behauptete. – Unnötig zu erwähnen, dass der Ständer jetzt woanders ist.
Der Rückweg dauerte nur acht Minuten, weil ich ihn teilweise rennend zurücklegen musste – der Hund wollte das so! Die Suppe köchelte leise vor sich hin, schadete nichts, gestern waren die Kartoffelstückchen noch ein bisschen sehr
al dente
gewesen. Ich nahm einen Löffel und probierte. Es schmeckte irgendwie eigenartig. Nun ja, Salz fehlte natürlich, ein bisschen Maggi, ein paar Kräutlein, eine Prise Zucker … Danach schmeckte es zwar etwas besser, aber nicht viel. Der Trick mit der rohen Kartoffel half auch nichts. Damit kann man manchmal eine versalzene Brühe wieder hinbiegen, doch keine, die »umgekippt« ist. Gab es nicht noch andere Möglichkeiten?
»Mit Salbei und Kognak kannst du jede Soße retten«, hatte mir Sascha mal beigebracht – damals, als er noch in Hotels gearbeitet und den Köchen häufig über die Schulter gesehen hatte. »Salbei streust du in die Soße, den Kognak trinkst du selber! Nach dem dritten schmeckt sie dir garantiert!« Ausprobiert habe ich das nie, für Suppen war diese Methode sowieso nicht vorgesehen, aber es gibt Rezepte, bei denen ein Schuss Sherry empfohlen wird. Warum nicht? Allzu viel war sowieso nicht mehr in der Flasche. Ich kippte den Inhalt in den Topf, probierte – und musste feststellen, dass sich selbst mit der doppelten Menge der leicht säuerliche Geschmack nicht übertönen lassen würde. Vielleicht hätte ich den Topf gestern doch in den Keller stellen sollen? Aber wer rechnet denn damit, dass mitten im Winter die Suppe sauer wird? Die Küche ist doch nicht geheizt.
Was jetzt? In spätestens zwei Stunden würde eine hungrige Meute hier einfallen! Mit sechs Paar Würstchen und einem halben Roggenmischbrot wäre die aber nicht satt zu kriegen. Theoretisch könnte ich jetzt noch mal Gassi gehen, die Tür hinter mir zuschlagen und ganz einfach den Schlüssel vergessen. Wer draußen steht, kann drinnen nicht kochen! Das müsste jedem einleuchten. Zu dumm nur, dass ich Nicki vorhin am Telefon erzählt hatte, das Essen sei bereits fertig und brauche nur noch aufgewärmt zu werden. Einen Hausschlüssel hat sie natürlich auch. Deshalb würde jeder andere Fluchtversuch genauso sinnlos sein, es sei denn, mir wäre eine fürchterliche Blamage, gepaart mit dem berechtigten Zorn der Zwillinge, absolut gleichgültig. Und das war leider nicht der Fall.
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