Schuld war nur die Badewanne
aufgegangen wäre, aber vielleicht auch die von Clark Gable oder dem Fernsehen … Wenn man es jedoch genau nimmt, ist eigentlich Rolf schuld daran gewesen beziehungsweise seine Vorliebe für bäuerliche Kartoffelsuppe. Und Weihnachten natürlich (größere Katastrophen ereignen sich bei uns grundsätzlich zu Weihnachten), wegen der Gans!
Nach zwei Tagen mittags Gänsebraten gelüstete es meinen Ehemann nach einer rustikalen Mahlzeit, und da am morgigen Tag die Geschäfte wieder geöffnet sein würden und man das nötige Zubehör in Form von Wurzelgemüse kaufen könne, wurde also Kartoffelsuppe auf die Speisekarte gesetzt. Grundlage dafür sollte das Gerippe der Gans werden, auf kleiner Flamme gründlich ausgekocht. Wir hatten damals einen Nachtstrom-Speicher, weshalb das Vorhaben »Gänsegerippe« auf die Abendstunden verschoben wurde, weil die Kocherei dann billiger sein würde. (Der gelegentlich ausbrechende Sparsamkeitsfimmel unseres Haushaltsvorstandes treibt mitunter absonderliche Blüten.)
An jenem zweiten Weihnachtsfeiertag brachte das Fernsehen zum ersten Mal
Vom Winde verweht.
Als Teenager hatte ich dieses Südstaaten-Epos trotz seiner über tausend Seiten in anderthalb Wochen förmlich verschlungen, als Twen den Film im Kino gesehen, doch richtig erinnern konnte ich mich nur noch an eine Szene: Scarlett kommt erschöpft und halb verhungert zurück auf die verwüstete Plantage, zieht mitten auf dem Acker eine übriggebliebene Rübe aus dem Boden, hebt sie hoch und schreit in die untergehende Sonne: »Nie wieder hungern!« Dann war der erste Teil des Films zu Ende, die Pause begann, und die Zuschauer holten ihre Butterbrote raus.
Bevor nun dieser Mammutfilm anfangen würde, setzte Rolf den Topf mit Wasser und dem Gänseskelett auf den Herd, entkorkte die Weinflasche – Weihnachten war ja noch nicht ganz vorbei –, holte Gläser und Eis für den Kühler, während ich abwechselnd zur Gans und auf die Uhr guckte. »Auf kleiner Flamme«, hatte Rolf gesagt, aber da würde dieser tote Vogel ja nie anfangen zu kochen. Dabei hörte ich Scarlett doch schon mit ihren Freundinnen schnattern! Also Schalter auf 3 gestellt und kurz ins Zimmer. In ein paar Minuten würde ich die Hitze drosseln.
Und dann saß ich in meinem Sessel, trank meinen Wein, fand Clark Gable immer noch sexy und wünschte mir auch eine dicke schwarze Mammy, die meine Kleider bügeln und mir morgens das Frühstück ans Bett bringen würde. Vergessen war die Gans, vergessen die Toilette, die im Gegensatz zu sonstigen Fernsehabenden heute niemand zwischendurch aufsuchte, nicht mal Rolf konnte sich aufraffen, eine neue Flasche aus dem Keller zu holen.
Endlich Pause für die Tagesschau. »Ich muss zuerst!«, brüllte Nicki und raste aus dem Zimmer. »Hier ist ja alles voll Rauch! Ich kann überhaupt nichts …« Der Rest ging in einem Hustenanfall unter. Während Rolf Haus- und Terrassentür aufriss, stürzte ich in die dunkle Küche. Dabei war sie gar nicht dunkel. Ein magisches, seltsam leuchtendes Licht ging vom Herd aus. Das kam nicht nur von der eingeschalteten Platte – nein, da glühte etwas viel Größeres! Der Topf! Der schwere, gusseiserne Topf hatte sich in ein glühendes Stück Metall verwandelt und trotzdem noch seine Form behalten. Den Deckel brauchte ich erst gar nicht hochzuheben – was mit dem Inhalt geschehen war, konnte man riechen.
Mit Hilfe des klatschnassen Schwammtuchs zog ich erst mal den Topf von der Platte. Insgeheim hatte ich damit gerechnet, dass er auseinanderfallen würde, aber er dachte gar nicht daran. »Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann das Ding doch nicht hier stehen lassen!«
Der immer so praktisch veranlagte Sven hatte bereits aus dem Keller zwei Zangen geholt, mit denen er den glühenden Topf griff und draußen auf die Treppenstufen stellte. Richtig toll sah er aus, wie er in der Dunkelheit so vor sich hin glimmte. »Jetzt kann nichts mehr passieren«, sagte Sven und lüpfte vorsichtig den Deckel. »Hm«, meinte er nach einer flüchtigen Betrachtung des Inhalts, »soviel ich weiß, gibt es eine preiswertere Methode der Holzkohlenproduktion.«
Seine Kartoffelsuppe hat Rolf am nächsten Tag aber doch bekommen – aus der Tüte!
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Doppelter Umzug
I ch war gerüstet! Auf dem Herd stand ein großer Topf mit schon gestern gekochter Gemüsesuppe, die ich nur noch aufzuwärmen und abzuschmecken brauchte, und im Kühlschrank warteten drei randvolle Puddingschüsseln auf mögliche
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