Schuld war nur die Badewanne
hat noch nie etwas genützt, also Ärmel aufgekrempelt und zu retten versucht, was noch zu retten war. Mit dem Mut der Verzweiflung schaufelte ich jeweils drei Kellen voll Gemüse in ein Haarsieb und hielt es so lange unter fließendes Wasser, bis auch der letzte Tropfen Brühe rausgespült war. Dann braute ich aus Instant-Bouillon und Suppenwürfeln eine neue und garantiert sehr kalorienarme Flüssigkeit zusammen, kippte das nun total fad gewordene Gemüse hinein und versuchte eine halbe Stunde lang, in dieses Gebräu wenigstens etwas Geschmack zu bringen. Sogar die schon leicht verstaubten Gewürzdosen von ganz hinten habe ich vorgekramt in der Hoffnung, etwas Geeignetes zu finden, doch zum Schluss blieb nur noch die Möglichkeit, diese ganze Katastrophe optisch zu kaschieren.
Zwei Bündel gehackte Petersilie verwandelten alles in ein kräftiges Grün, und danach sahen die hineingeschnittenen Würstchenscheiben wie Wasserlilien aus, die in einem Teich voll Entengrütze schwimmen. Wie hatte doch Rolf meine zu Beginn unserer Ehe noch recht mangelhaften Kochkünste einmal kommentiert? »Viele Unfälle im Haus ereignen sich in der Küche, und die meisten davon kommen später auf den Tisch.«
Fast auf die Minute pünktlich fielen sie ein. Mit Juhu und Gebrüll stürmten sie durch die Tür, wobei sich die mir noch unbekannten Hilfskräfte doch etwas gesitteter aufführten.
Dominik zum Beispiel, der sich selber vorstellte und sehr höflich für die Einladung dankte (der Knabe musste eine gute Erziehung gehabt haben!), dann Christian, etwas burschikoser, aber nicht minder sympathisch, und zum Schluss Hannes, zweifellos der Älteste und aufgrund seiner Figur vermutlich für den Transport der schweren Sachen angeheuert. Schränke kann man auseinandernehmen, Waschmaschinen nicht, und fünfter Stock ohne Fahrstuhl ist nicht gerade das, wovon Möbelpacker träumen – auch dann nicht, wenn es nur abwärts geht.
Angeführt von den Zwillingen trampelte der ganze Verein erst mal die Treppe rauf ins Bad zum Händewaschen (warum nur gibt es in den Gästetoiletten selten warmes Wasser?), danach in den Keller zwecks Auswahl der Getränke, und dann endlich gruppierten sich die schon etwas erschöpft aussehenden Damen und Herren um den Tisch.
»Kannst du schon mal die Kaffeemaschine munitionieren?«, bat Nicki. »Ich glaube, den können wir hinterher alle vertragen.«
Zustimmendes Gemurmel, sodann Begutachtung des ersten gefüllten Suppentellers, der vom unteren Ende des Tisches nach oben weitergereicht werden musste. »Sieht großartig aus!«, behauptete Tom, der viel lieber Pizza isst oder Spaghetti
verde.
Und: »Es geht doch nichts über einen richtigen Eintopf!«, bekräftigte Hannes, der eigentlich nicht so aussah, als ob er sich hauptsächlich von kalorienarmen Suppen ernähren würde. »Essen Sie denn nicht mit?«
»Ich hab schon«, sagte ich sofort, obwohl das natürlich nicht stimmte. Ich hatte nur zu lange gebraucht und zu oft probieren müssen, um dieses Futter genießbar zu machen, jetzt konnte ich es nicht mal mehr riechen!
Es dauerte keine zwanzig Minuten, dann war die letzte Kelle Suppe ausgeteilt, der letzte Krümel Brot verspeist und nach einer weiteren Viertelstunde auch die dritte Puddingschüssel leer. Nun hockten sie dösend vor ihren Kaffeetassen und sahen aus, als würden sie demnächst alle ein Nickerchen halten. Diese Befürchtung schien auch Katja zu haben. »Hey, Leute, nicht einpennen! Ich koche auch noch mal Kaffee!«
»Der nützt nichts«, sagte Dominik, verstohlen gähnend, »wo wir doch so viel von den alten Mittelmeerkulturen übernommen haben, welcher Idiot hat uns da eigentlich um die Siesta gebracht?«
Es war schon nach drei, als sich die müde Truppe endlich zum Gehen aufraffte. »In zwei Stunden ist alles vergessen«, versprach Nicki. »Das Schlimmste haben wir doch hinter uns. Meine neue Wohnung liegt im ersten Stock, das sind bloß fünfzehn Stufen.«
»Plus fünf bis zur Haustür«, erinnerte ihre Schwester.
»Die sind aber viel flacher.«
Unter wortreichen Dankesbezeugungen verließen meine Tischgäste das Haus, nicht ohne nochmals versichert zu haben, dass alles ganz ausgezeichnet geschmeckt habe. Wovon, um alles in der Welt, ernähren die sich denn sonst???
Anstatt nun die erste Nacht in der jeweils ersten eigenen Wohnung zu schlafen, standen die Zwillinge zur Abendbrotzeit wieder bei mir in der Küche. Dabei hatte ich mich so auf einen richtigen Gammelabend gefreut. Im
Weitere Kostenlose Bücher