Schulden ohne Suehne
Prozent des Durchschnitts an. Finanziert würde dieser Transfer von den reicheren E U-Ländern . Ein solcher Transfermechanismus mit einem »Nivellierungsniveau« von 50 Prozent würde, basierend auf den Zahlen von 2007, bereits ein Transfervolumen von etwa 445 Milliarden Euro nach sich ziehen. 122
Abb. 7: Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den E U-Staaten im Jahr 2009 (in Euro)
Quelle: Statistisches Bundesamt
Abb. 8: Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in den E U-Staaten im Jahr 2009 (in Euro)
Quelle: Fitch Ratings
Das Zahlenbeispiel ist nicht frei von Willkür. Wählt man als Ausgangsbasis für den Transfermechanismus nicht die Staatseinnahmen einschließlich der Sozialversicherungsbeiträge, sondern nur die Steuereinnahmen, schrumpft der Betrag um einige Prozentpunkte zusammen. Er bleibt indes unvorstellbar groß.
Europa verhandelt derzeit auch nicht über einen solchen Umverteilungsmechanismus. Obwohl in der öffentlichen Diskussion oft von einer Fiskalunion die Rede ist, hat zumindest bis zum Frühjahr 2012 noch kein europäischer Politiker einen Umverteilungsmechanismus solcher Größenordnung oder gar den deutschen föderalen Finanzausgleich als Blaupause für wirtschaftliche Transfers innerhalb der EU vorgelegt. Mit guten Gründen: Die Umsetzung einer solchen Blaupause, gar in Anlehnung an die Institutionen des deutschen Finanzausgleichs, wäre im bestehenden Institutionengefüge dezentraler uneinheitlicher Steuersysteme nicht möglich. Gegebenenfalls könnte man die Transfers nicht an den Steueraufkommen der Länder ausrichten. Die Anreize für die Gestaltung der nationalen Steuersysteme wären zu groß. Man müsste an Wirtschaftsgrößen ansetzen, die durch die nationale Finanzpolitik weniger gestaltbar sind, beispielsweise an der Wirtschaftskraft, wie sie durch das Bruttoinlandsprodukt gemessen wird.
Trotzdem sind die Zahlen aufschlussreich, weil sie die Dimensiondes Umverteilungsvolumens offenlegen und damit die Frage der politischen Akzeptanz in den Vordergrund rücken. Schon ein Umverteilungsmechanismus, der weniger als die Hälfte der Einkommen der öffentlichen Haushalte ausgleichen würde, erfordert Transfers, die rund dem Vierfachen des gesamten E U-Budgets entsprechen. Mehr noch. Alle E U-Staaten erhalten einen großen Anteil ihrer Beiträge durch die verschiedenen E U-Programme zurück. Damit sind die tatsächlichen Netto-Beiträge der einzelnen viel geringer als das gesamte E U-Budget . Daran gemessen würden die Summen, die bei einer Transferunion umverteilt werden müssten, die heutigen Netto-Beiträge der einzelnen Zahlerländer um ein Vielfaches übersteigen.
So gesehen ist die Behauptung vieler Beobachter irreführend, die EU sei bereits heute eine Transferunion. Die aktuell existierenden Netto-Transfers in der EU sind im Vergleich zu den Umverteilungssummen in Abbildung 9 verschwindend gering – und trotzdem sind sie bereits Grund eines permanenten Streits innerhalb Europas. Es ist schwer vorstellbar, dass Europa die politischen Spannungen aushalten würde, die durch Transfers dieser Größenordnung entstünden.
Eine solche Transferunion hätte, wie immer man sie ausgestaltet, auch verheerende Anreizeffekte. Regierungen würden für ihre erfolgreiche Politik und Wachstumserfolge bestraft, und Länder, die auf schmerzhafte, aber wachstumsfördernde Reformen verzichten, würden durch hohe Transfers von den anderen Mitgliedern der EU belohnt.
Verteilungsüberlegungen dieser Art sind nicht der Haupteinwand gegen eine Zentralisierung der Europäischen Union. Umverteilung hat Vorteile für die Empfänger und Nachteile für die Geber. Insgesamt aus europäischer Perspektive und je nach Blickwinkel des Betrachters könnte Umverteilung sogar wünschenswert erscheinen. Aus den nachteiligen Folgen für mögliche Geberländer wie Deutschland allein lässt sich deshalb noch kein politisch tragfähiges Argument machen.
Wie realistisch sind die Möglichkeiten, auf europäischer Ebene eine Kontrolle der nationalen Finanzen einzusetzen? Die Erfahrungen in den vergangenen zehn Jahren mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt sind nicht ermutigend. Gegen die kreative Haushaltsbilanzpolitik einzelner Staaten wurde nicht gerade energisch eingeschritten. Und da, wo es zu offensichtlichen Verletzungen der Regeln des Stabilitätspakts gekommen ist, kam es eher zu einer Neuinterpretation der Regeln des Pakts als zu einer konsequenten Anwendung. Das Defizitverfahren gegen Deutschland in der ersten Hälfte
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