Schulden ohne Suehne
Gelder von Privatanlegern ein und kaufen mit einem Großteil dieses Gelds einfach Staatspapiere.
Manch einer wird sagen, dass er sich unter dem Bankengeschäft etwas anderes vorgestellt hat. Und wer in Einführungsveranstaltungenin VWL etwas über Banken lernt, erfährt auch etwas anderes. Da ist die Rede davon, dass Banken Gelder der Kleinsparer einsammeln und für große und langfristige Kreditprojekte zur Verfügung stellen (Fristen- und Losgrößentransformation) und dass sie durch ihr Portfolio an Kreditnehmern das Kreditausfallrisiko senken (Risikentransformation) bzw. dass sie ihre besondere Kompetenz bei der Bewertung von Privat- und Unternehmenskreditrisiken nutzen (Risikobewertung). Dass sie mit dem Geld der Kleinsparer das tun, was die Kleinsparer selbst genauso gut könnten, nämlich Staatsschuldtitel kaufen und verkaufen, davon ist dort nicht die Rede.
Abb. 10: Staatsverschuldung im Finanzsystems des Euroraums
Quelle: SVR, Jahresgutachten 2011 - 2012, S. 81
Dass Banken trotzdem so gern Staatsschuldtitel kaufen, statt sich dem mühsamen Geschäft der Finanzierung der privaten Wirtschaft anzunehmen, dafür hat der Staat gesorgt. Anders als im sonstigen Kreditgeschäft hat er das Kaufen von Staatsschuldtiteln mit drei Vorteilen ausgestattet: Banken müssen kein Eigenkapital als Sicherheiten vorhalten, wenn sie mit den Kleinsparereinlagen Staatsschuldtitel kaufen. Das Mittel für diesen Zweck ist – beabsichtigt oder nicht – das Regelwerk für Banken, bekannt als »Basel II« und »Basel III«. Die in diesem Regelwerk international vereinbarten Auflagen für das Bankgeschäft sind eigentlich dazu gedacht, die Krisenanfälligkeit der Finanzmärkte zu vermindern. Doch für die Regierungen erfüllt das Regelwerk noch einen anderen Zweck: Durch diese Regeln wird es für Banken finanziell attraktiver, einen hohen Anteil an vermeintlich sicheren Staatsanleihen in ihrem Anlageportfolio zu halten. 143
Banken können darüber hinaus die Staatskredite als Sicherheiten für neue Kredite an die EZB weitergeben und sich dort zu günstigen Konditionen neue Mittel leihen (und, wenn sie möchten, davon erneut Staatspapiere kaufen). Den Banken bleibt bei diesen Geschäften die Differenz zwischen der Verzinsung der Staatsschuldtitel und dem Kreditzins, den die EZB für diese Kredite verlangt. Wie attraktiv dieses Geschäft für die Banken ist, haben wir im Zusammenhang mit den Krediten im Umfang von gut 1 000 Milliarden Euro in Kapitel 5 diskutiert.
Und auf eine weitere Weise wird den Banken der Erwerb von Staatsschuldtiteln schmackhaft gemacht: Sollte ein Staat doch einmalan den Rand eines Zahlungsausfalls geraten, dann wird der Staat schon für eine Rettung sorgen (und sei es durch einen großen Rettungsschirm). Denn er hat dafür gesorgt, dass seine Banken so viele Staatsschuldtitel in den Büchern haben, dass sie im Fall eines Zahlungsausfalls des Staats zu einem systemischen Risiko würden.
Die Folgen der Liaison zwischen dem Staat und den Banken sind leider wenig erfreulich – außer vielleicht für die Banken. Erstens leidet die Kreditversorgung des Mittelstands – und wird so zu einem Dauerbrenner in der wirtschaftspolitischen Diskussion. Zweitens zahlt letztlich der Steuerzahler für die Subvention der Banken, die sich aus der Zinsdifferenz zwischen EZ B-Krediten und der Verzinsung von Staatsschuldtiteln ergibt. Und drittens führt die Liaison genau zu dem Fehlversagen der finanzpolitischen Institutionen in der Eurozone, das wir im Zuge der europäischen Staatsschuldenkrise beobachten konnten: Die Insolvenz und nachfolgende Umschuldung eines Mitgliedslands der Eurozone wird wirtschaftlich und politisch unmöglich, weil sie Bankenpleiten nach sich zöge. So zeigen Daten der OECD von 2010, dass zum damaligen Zeitpunkt eine Umschuldung Griechenlands mit einem Schuldenschnitt von 50 Prozent mehr als 100 Prozent des Eigenkapitals von vier großen Banken in Griechenland vernichtet hätte. 144 Diese Bankenpleiten würden ihrerseits erst das Finanzsystem in die Krise stürzen und anschließend zu einer Weltwirtschaftskrise führen. Und die gefährlich hohen Beteiligungen deutscher und französischer Banken an der griechischen Staatsschuld haben der deutschen und französischen Regierung die Entscheidung gegen eine Insolvenz Griechenlands bis heute leicht gemacht. Eine Reform dieser Beziehung steht am Anfang des Wegs zu eigenverantwortlichen Mitgliedsstaaten der
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