Schuldig wer vergisst
zumindest höchste Zeit dafür.
Und für sie selber auch. In ihrem eigenen Bett, mit ihrem eigenen Mann.
Der Laptop konnte bis morgen warten, doch bis dahin würde sie ihn nach Hause mitnehmen. Zur Sicherheitsverwahrung, sagte sie sich.
Der Flying Scot war, wie Callie feststellte, als sie zu der Garage kamen, ein uralter Morris-Minor-Kombi mit Holzleisten an den Seiten und Karobezügen auf den Sitzen. »Sind Sie sicher, dass der noch fährt?«, fragte sie skeptisch.
Morag nickte vehement. »Donald hat damit jahrelang seine Krankenbesuche quer durch die Highlands gemacht. Zuverlässiger geht’s nicht.«
Sie klopfte liebevoll mit der flachen Hand auf die Kühlerhaube.
»Und wo genau soll’s hingehen?«, fragte Callie, während sie Bella auf den Rücksitz hievte.
»Wie gesagt, Mädchen, Sie müssen nicht mitkommen.«
»Ich lasse Sie aber nicht ganz alleine fahren.« Das war das Mindeste, was sie tun konnte.
Sie verdrängte den Gedanken daran, was Marco sagen würde, wenn er von ihrer Fahrt erfuhr. Sicher, er hatte sie gebeten, bei Morag zu bleiben und sie ihnen vom Leibe zu halten. Doch das schloss in seinen Augen sicher keine Fahrt aufs Geratewohl nach Schottland ein. Wahrscheinlich würde er wütend auf sie sein – und sie konnte es ihm nicht einmal verübeln.
Und dann war da noch Brian. Immerhin war es Samstagabend. Sie würde die Gottesdienste am Sonntagvormittag verpassen und mit ziemlicher Sicherheit auch die Christingle-Feier. Brian war vielleicht gar nicht mal so schlimm, aber Jane würde vor Wut kochen, wenn sie nicht zum Christingle erschien.
Nun ja, das war eben nicht zu ändern. Sie würde fahren, und damit basta. Es war zu spät, um Brian noch Bescheid zu geben; das musste bis morgen Früh warten.
»Wir fahren nach Kelso«, sagte Morag. »Das liegt in den Borders. Es ist also nicht gar so weit. Nur sechs bis sieben Stunden. Je nachdem, welches Tempo unser alter Freund hier schafft.«
Sechs bis sieben Stunden Nachtfahrt nach Schottland in einem Morris Minor, der vermutlich älter war als Callie selbst? Sie musste vollkommen verrückt sein.
Als sie nach Hause kam, konnte Yolanda der Versuchung nicht widerstehen, wenigstens einen kurzen Blick in den Laptop zu werfen. Eli war im Bad – sie hörte Wasser spritzen -, also stellte sie den Computer auf den Esstisch und klappte den Bildschirm hoch.
Es gab keinen Passwortschutz, und das E-Mail-Programm öffnete sich automatisch. Yolanda scrollte durch die Liste der Mails und las ein oder zwei der jüngsten Nachrichten. Von Abdul. An Abdul.
»Hey, Schatz.« Eli kam aus dem Badezimmer und trug nicht mehr am nackten Körper als ein Handtuch um die Hüften. »Du bist zurück. Wurde aber auch Zeit.«
Sie sah vom Laptop auf. »Eli, ich habe was gefunden. Rachel …«
»Vergiss Rachel.« Er schloss den Deckel des Laptops und nahm Yolanda bei der Hand. »Komm, mein Schatz, wir haben Besseres zu tun.«
ZWANZIG
»Also«, sagte Morag, als sie den Londoner Ballungsraum hinter sich hatten und auf der A1 Richtung Norden fuhren. »Reden Sie ein bisschen, Mädel. Erzählen Sie mir was über sich. Seit wir uns kennengelernt haben, habe vor allem ich geredet. Jetzt sind Sie mal dran.«
Und so redete Callie. Sie fing mit ihrer Familie an: ihrer schwierigen Mutter, dem Tod ihres geliebten Vaters, Peters Homosexualität. Irgendwann erzählte sie Morag von Adam und der gelösten Verlobung und irgendwann, nachdem sie bereits mehrere Stunden auf der Straße waren, auch von Marco.
»Er scheint ein sehr netter junger Mann zu sein«, sagte Morag.
»O ja, das ist er.«
Vielleicht klang sie nicht ganz überzeugend, denn Morag warf ihr einen forschenden Blick zu. »Aber?«
»Aber.« Callie seufzte. »Aber ich bin mir einfach nicht sicher, ob ich noch einmal zu einer solchen Beziehung bereit bin. Ich meine, wie mit Adam.« Da – es war heraus. Es war etwas, das sie noch niemals offen zugegeben hatte, nicht einmal vor sich selbst. »Ich habe einen Beruf, den ich liebe – eine Berufung. Pfarrerin zu sein – und in einem knappen Jahr bin ich so weit -, das kann das ganze Leben ausfüllen und einen so auf Trab halten, dass für anderes nicht mehr
viel Raum bleibt. Ob ich da noch die Energie für eine Beziehung aufbringe? Ich weiß es nicht.«
»Bei allem Respekt«, sagte Morag, »das kann ich einfach nicht akzeptieren. Sie sind immer noch ein Mensch aus Fleisch und Blut, Callie. Nicht Superwoman. Und auch keine Einsiedlerin. Sie brauchen immer noch Liebe und
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