Schuldig wer vergisst
und schnappte nach Luft, als er ihr die Kehle hinunterbrannte. Reiß dich zusammen, Callie! Nimm diesen Abend einfach als Gelegenheit, mal von Peter wegzukommen, und mach dir nicht ins Hemd! Oder wie die Italiener zu sagen pflegen, che sarà, sarà .
VIERZEHN
Zieh was Rotes an.
Alex wühlte ihren Kleiderschrank durch und versuchte, das Kribbeln im Bauch zu ignorieren. Rot war eigentlich keine gute Farbe für sie. Zu auffällig, wo sie sich doch lieber unsichtbar machte.
Ihre Mutter liebte Rot. Es stand ihr gut zu ihrem dunklen Teint und passte zu ihrer lebhaften Persönlichkeit.
Alex trug lieber Braun oder Schwarz oder Dunkelblau.
In dem Moment fiel ihr der Pullover ein, den Granny ihr letztes Weihnachten gestrickt hatte. Scharlachrot. Ein fröhliches Lippenstiftrot. Sie hatte ihn ein paarmal angezogen, um Granny eine Freude zu machen, doch seit sie nach London gezogen waren, hatte sie ihn kein einziges Mal mehr angehabt.
Wenn sie sich recht erinnern konnte, hatte sie ihn erst kürzlich in der untersten Schublade ihrer Kommode gesehen. Sie kniete sich hin und wühlte in dem Durcheinander, zog weitere ebenso ungetragene Sachen heraus, bis sie den roten Pulli gefunden hatte. Alex knöpfte sich die Schulbluse auf, warf sie zu den anderen abgelegten Kleidern auf den Boden und zog sich den Pullover über den Kopf. Dann betrachtete sie sich im Spiegel.
Nicht überzeugend. Zu eng – sie war im letzten Jahr tatsächlich gewachsen. Er betonte nur noch ihre flache Brust.
Kein Raum, um etwas anzudeuten, um vorzutäuschen, dass irgendwo unter den Kleidern eine üppigere Figur versteckt war. Einen Moment lang stand sie vor dem Spiegel und überlegte, was sie tun könnte, um die Situation zu retten.
Silly Jilly, dachte sie. Was ihr an grauen Zellen fehlte, besaß sie an Dekolleté. Vermutlich hatte sie eine Schublade voll Rüschen-BHs, um ihren Vorzug ins rechte Licht zu rücken.
Falls Jilly jedoch in ihrem Schlafzimmer war, konnte sie diesen Ausweg vergessen.
Doch Alex hatte Glück. Die Tür zum Elternschlafzimmer stand offen, und sie hörte, dass Jilly im angrenzenden Bad war und Wasser in die Wanne laufen ließ. Auf Zehenspitzen schlich sie ins Zimmer und öffnete wahllos Schubladen.
Eine war voll mit Höschen – bloße Fetzchen an Spitze. Alex hielt eins hoch, um es sich genauer anzusehen; doch aus Gründen, die sie nicht ganz verstand, fühlte sie sich unwohl dabei und wurde vor Verlegenheit rot. »Krass«, murmelte sie vor sich hin, ließ das Höschen wieder fallen und schloss die Schublade.
Die nächste beinhaltete nichts weiter als einen Stapel Briefumschläge. Alex wollte sie gerade wieder zuschieben, als sie sah, dass der oberste an sie adressiert war. »Miss Alexandra Hamilton«, stand darauf, gefolgt von der Anschrift.
Alex zog die Schublade weiter auf und sah genauer hin. Der Brief war mit der Post gekommen, aber ungeöffnet. Darunter lag noch einer, ebenfalls mit ihrem Namen.
Ein ganzer Stapel Briefe! Ungeöffnete Briefe an sie. In Jillys Schublade! Alex holte sie gerade heraus, als das schnurlose Telefon auf dem Nachttisch klingelte.
Würde Jilly aus der Wanne steigen, um ans Telefon zu gehen? Alex durfte nichts riskieren.
Sie schoss in ihr eigenes Zimmer zurück und verzichtete auf geborgten Brustumfang.
Jack würde sie so nehmen müssen, wie sie war. Wenn ihm das nicht gefiel, konnte sie es auch nicht ändern.
»Du willst noch raus?« Peter, der auf dem Sofa lungerte und einen Kaffeebecher auf dem Bauch balancierte, hob milde überrascht eine Augenbraue. »Du hast heute Morgen gar nichts davon gesagt. Nicht dass es wichtig wäre«, fügte er hinzu. »Ich bin heute Abend auch aus. Ein Gig. Ich spiele auf einer Weihnachtsfeier.«
»Marco hat vorhin angerufen«, sagte Callie in bewusst ruhigem Ton. »Er will mich zum Abendessen ins La Venezia führen.«
»Oh!« Das brachte Peter schlagartig in eine sitzende Position und den heißen Kaffee zum Überschwappen, sodass er sich über ihn selbst und das Sofa ergoss. »Oh, Mist. Das wollte ich nicht.«
Callie sprintete in die Küche, um einen Lappen zu holen, mit dem sie an dem Sofa herumwischte, während Peter sich mit einem Taschentuch säuberte. »Alles in Ordnung?«
»Bis auf ein paar Verbrennungen zweiten Grades. Ich werd’s überleben.«
»Deinem Hemd ist es wohl auch nicht so gut bekommen«, sagte sie. »Zieh’s aus, dann stecke ich’s in die Waschmaschine, bevor es eintrocknet.«
»Mal im Ernst, Schwesterherz.« Folgsam knöpfte
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