Schuldig
den Kamm mit in das Handtuch ein, als sie fertig war. Dr. Roth schob ein weiteres Handtuch unter Trixie und nahm einen anderen Kamm, um ihr Schamhaar auszukämmen. Trixie musste den Blick abwenden â so peinlich war das. »Gleich hast duâs hinter dir«, sagte Janice leise.
Dr. Roth zog zwei FuÃhalter unten aus dem Untersuchungstisch. »Trixie, warst du schon mal bei einem Gynäkologen?«, fragte sie.
Trixie hatte einen Termin für Februar, beim Arzt ihrer Mutter. Es geht um deine Gesundheit , hatte Mom ihr versichert, und das war gut so, denn Trixie hatte nicht vor, über ihr Sexleben zu reden, schon gar nicht mit ihrer Mutter. Vor Monaten, als sie den Termin gemacht hatten, hatte Trixie noch nie einen Jungen geküsst.
»Du spürst gleich einen leichten Druck«, sagte Dr. Roth und hob Trixies Beine auf die Stützen.
In diesem Moment spürte Trixie, wie ihr Geist von seinem Beobachtungsposten oben an der Decke herabsank und in ihrem malträtierten Körper dunkle Wurzeln schlug. Sie spürte Janiceâ Hand, die ihr den Arm streichelte, spürte die Gummihandschuhe der Ãrztin, die in ihr Innerstes eindrangen. Zum ersten Mal, seit sie das Krankenhaus betreten hatte, wurde ihr gänzlich und schockartig bewusst, wer sie war und was man ihr angetan hatte.
Kalter Stahl schabte über ihre Haut. Ihr Körper wehrte sich gegen das Spekulum. Trixie wollte mit einem Fuà danach treten, doch sie wurde an den Oberschenkeln festgehalten und dann kamen Schmerz und Gewalt und das Gefühl ihr reiÃt mich auseinander .
»Trixie«, sagte Janice beschwörend. »Trixie, Kleines, hör auf, dich zu wehren. Es ist alles gut. Es ist doch nur Dr. Roth.«
Plötzlich flog die Tür auf, und Trixie sah ihre Mutter, löwenäugig und entschlossen. »Trixie«, sagte Laura, zwei Silben, die in der Mitte zerbrachen.
Jetzt, da Trixie wieder empfinden konnte, wünschte sie, sie könnte es nicht. Es gab nur eine Sache, die schlimmer war, als nichts zu spüren, und das war alles zu spüren. Sie begann hilflos zu zittern, ein Atom, das unter seinem eigenen Gewicht zu zerspringen droht. Und dann lag sie unversehens sicher in den Armen ihrer Mutter, und ihre Herzen schlugen wild aneinander, während die Ãrztin und Janice anboten, sie einen Moment allein zu lassen.
»Wo bist du gewesen?«, schrie Trixie, Vorwurf und Frage zugleich. Sie schluchzte so heftig, dass sie keine Luft mehr bekam.
Lauras Hände waren in Trixies Nacken, in ihrem Haar, um ihren Brustkorb. »Ich hätte zu Hause sein sollen«, sagte ihre Mutter. »Es tut mir leid. Es tut mir so leid.«
Trixie wusste nicht, ob ihre Mutter sich entschuldigte oder nur ihren Fehler eingestand. Sie hätte zu Hause sein sollen. Vielleicht hätte Trixie sich dann nicht getraut zu schwindeln. Vielleicht hätte sie gesagt, weshalb sie wirklich zu Zephyr wollte. Vielleicht hätte sie keine Gelegenheit gehabt, die hauchdünne Bluse zu stibitzen. Vielleicht hätte sie die Nacht in ihrem eigenen Bett verbracht. Vielleicht wäre die schlimmste Verletzung ein weiterer Rasiermesserschnitt gewesen, eine Wunde, die sie sich selbst beigebracht hätte.
Ihre Wut überraschte sie. Vielleicht war ihre Mutter gar nicht schuld, aber Trixie tat so, als ob. Weil eine Mutter ihr Kind behüten sollte. Weil Trixies Angst keinen Raum mehr hatte, wenn die Wut so groà war. Weil es ja nicht ihre Schuld sein konnte, wenn es die ihrer Mutter war.
Laura schlang die Arme so fest um Trixie, dass zwischen ihnen kein Platz mehr für Zweifel war. »Wir stehen das durch«, versprach sie.
»Ich weië, antwortete Trixie.
Sie logen beide, und Trixie dachte, dass es ab jetzt vielleicht immer so sein würde. Wenn sich eine Katastrophe ereignet hatte, wollte keiner eine weitere Bombe hochgehen lassen. Stattdessen ging man durch die Ruinen und redete sich ein, dass es gar nicht so schlimm war, wie es aussah. Trixie biss sich auf die Lippen. Nach letzter Nacht konnte sie kein Kind mehr sein. Nach letzter Nacht war in ihrem Leben kein Raum mehr für Ehrlichkeit.
Daniel war ungeheuer dankbar, dass man ihm eine Aufgabe gegeben hatte. »Sie braucht frische Kleidung«, hatte Janice gesagt. Als Daniel Bethel erreichte, war es mittlerweile heller Tag. Er sah einen alten Mann, der auf Pantoffeln über seine vereiste Zufahrt rutschte, um die Zeitung zu holen. Er fuhr an den
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