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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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geparkten Autos von Jägern vorbei, die im Wald auf Rehwild pirschten.
    Sein eigenes Haus war bei dem überhasteten Aufbruch unverschlossen geblieben. Das Licht an der Dunstabzugshaube, das er letzte Nacht angelassen hatte, falls Laura noch sehr spät nach Hause kam, brannte noch immer. Daniel schaltete es aus und ging dann nach oben in Trixies Zimmer.
    Vor Jahren, als sie ihm erzählt hatte, sie würde gern so fliegen können wie die Männer und Frauen in seinen Comics, hatte er ihr einen Himmel geschenkt. Trixies Wände und die Decke waren ein Wolkenmeer, der Parkettboden ein zarter Federwolkenwirbel. Irgendwie war Trixie nie zu alt für diese Bilder geworden. Sie schienen zu ihr zu passen, einem Mädchen, dessen sprühende Lebensfreude nicht von Wänden und Mauern eingesperrt werden konnte. Aber jetzt gaben diese Wolken, die doch mal so befreiend gewirkt hatten, Daniel das Gefühl, sich im freien Fall zu befinden. Er hielt sich Halt suchend an den Möbeln fest und schwankte vom Bett zur Kommode und zum Schrank.
    Er versuchte sich zu erinnern, was Trixie gern am Wochenende anzog, wenn nichts anderes anstand, als Zeitung zu lesen und auf der Couch zu dösen, doch das einzige Outfit, das er sich vorstellen konnte, waren die Sachen, in denen er sie letzte Nacht gefunden hatte.
    Daniel öffnete eine Schublade und zog ein Shirt mit weit geschnittenen Ärmeln heraus. Daniel konnte sich nicht daran erinnern, es je an seiner Tochter gesehen zu haben. Mit dem Shirt in der Hand sank er auf den Boden und fragte sich, ob das alles sein Fehler war. Er hatte Trixie bestimmte Klamotten verboten, wie zum Beispiel die Hose, die sie letzte Nacht angehabt hatte und die sie offensichtlich heimlich gekauft und vor ihm versteckt hatte. Solche Sachen sah man in Modezeitschriften, Sachen, die fast pornografisch freizügig waren, wie Daniel fand, und getragen wurden von Models, die kaum älter als Trixie waren. Und die jungen Mädchen zogen so etwas zu einer Party an, weil sie es sexy fanden, ohne darüber nachzudenken, was es bedeutete, wenn ein Mann das auch fand.
    Daniel hatte geglaubt, ein Kind, das mit Stofftieren im Bett schlief, würde keinen Stringtanga tragen, doch jetzt erkannte Daniel, dass es Gestaltwandler schon gegeben hatte, lange ehe Comiczeichner Figuren wie Copycat oder The Changeling oder Mystique erfanden, und zwar in Gestalt pubertierender Mädchen. Von einem Tag auf den anderen sitzt die Tochter, die sich doch eben noch das Backblech ausgeborgt hat, um damit im Garten Schlitten zu fahren, am Computer und chattet mit einem Jungen.
    Daniel kramte in Trixies Schubladen herum, bis er in einer eine Fleecejogginghose und ein langärmeliges pinkfarbenes T-Shirt fand. Dann angelte er aus einer anderen Slip und BH. Auf der Rückfahrt zum Krankenhaus fiel ihm ein Spiel ein, das Trixie und er oft gespielt hatten, wenn sie im Stau standen: Es ging darum, für jeden Buchstaben des Alphabets eine übermenschliche Fähigkeit zu finden. Allwissenheit, Bärenkräfte, Camouflage, Durchsichtigsein, ewiges Leben, Fliegen, Glühen-im-Dunkel, Hitzesicht, intergalaktisches Reisen, Jetgeschwindigkeit, kugelsichere Haut, Laseraugen, Mikroskopblick und so weiter.
    Aber die Fähigkeit, dein Kind davon abzuhalten, erwachsen zu werden, stand nicht auf der Liste.

    Es klopfte an der Tür des Untersuchungsraumes. »Hier ist Daniel Stone«, hörte Laura. »Ich, äh, ich bringe frische Sachen für Trixie.«
    Laura war schneller als Janice an der Tür und öffnete sie. Sie registrierte Daniels ungekämmtes Haar, die Bartstoppeln im Gesicht, den Sturm hinter seinen Augen und dachte einen Moment lang, sie wäre fünfzehn Jahre zurück in die Vergangenheit gestürzt.
    Â»Da bist du ja«, sagte er.
    Â»Ich hab die Mailbox abgehört.« Sie nahm ihm den Kleiderstapel aus der Hand und trug die Sachen zu Trixie hinüber. »Ich geh nur mal kurz raus und sprech mit Daddy«, sagte Laura, und als sie hinausging, trat Janice vor und nahm ihren Platz ein.
    Daniel wartete vor der Tür auf Laura. » Jason war das?« Sie sah ihn mit fiebrigen Augen an. »Ich will, dass sie ihn schnappen. Ich will, dass er bestraft wird.«
    Â»Das will ich auch.« Daniel fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht. »Was sagt die Ärztin?«
    Â»Sie ist fast fertig.« Laura lehnte sich neben ihm gegen die Wand.
    Â»Ja, aber was hat sie gesagt?«, wiederholte

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