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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Vergewaltigungsopfer, das von seinem Daddy in die Schule begleitet wurde? »Ich schaff das schon allein«, beteuerte sie, aber als sie den Sicherheitsgurt öffnen wollte, merkte sie, dass ihre Finger den Dienst versagten.
    Plötzlich spürte sie die Hand ihres Vaters auf dem Verschluss, und der Gurt löste sich. »Es ist völlig okay, wenn du wieder nach Hause möchtest«, sagte er sanft.
    Trixie nickte und schämte sich für die Tränen, die ihr in die Kehle stiegen. »Ich weiß.«
    Es war albern, Angst zu haben.
    Â»Als ich in diesem Dorf aufgewachsen bin«, sagte Trixies Vater, »hat es in dem Haus, in dem wir wohnten, gespukt.«
    Trixie blinzelte. Die Male, die ihr Vater über seine Zeit in Alaska gesprochen hatte, konnte sie an einer Hand abzählen. Trixie wusste nur so viel: Ihr Vater war der einzige weiße Junge in einem Eskimodorf der Yupik gewesen. Seine Mutter, die ihn allein großgezogen hatte, war dort Lehrerin gewesen. Er hatte Alaska verlassen, als er achtzehn war, und geschworen, nie mehr zurückzukehren.
    Â»Unser Haus war an die Schule angebaut. Vor uns hatte zuletzt der alte Direktor darin gewohnt, und er hatte sich an einem Balken in der Küche erhängt. Das ganze Dorf wusste das. Manchmal schalteten sich in der Schule die Geräte im Medienraum ganz von allein ein, selbst wenn sie nicht eingestöpselt waren. Oder die Basketbälle, die in der Turnhalle herumlagen, fingen von allein an zu hüpfen. In unserem Haus flogen schon mal Schubladen auf, und gelegentlich lag auf einmal ein Aftershave-Duft in der Luft.« Trixies Vater sah sie an. »Die Yupik fürchten sich vor Geistern. In der Schule hab ich manchmal beobachtet, wie Kinder in die Luft spuckten; sie wollten feststellen, ob der Geist so nah war, dass er ihre Spucke stehlen konnte. Oder sie gingen dreimal ums Gebäude, damit der Geist ihnen nicht nach Hause folgen konnte.«
    Er zuckte mit den Achseln. »Die Sache ist die … Ich war der Weiße. Ich redete komisch, und ich sah komisch aus, und deshalb wurde ich täglich schikaniert. Ich hatte vor diesem Geist genauso große Angst wie alle anderen, aber ich ließ es mir niemals anmerken. Deshalb konnten sie mir alles Mögliche nachsagen … aber nicht, dass ich ein Feigling war.«
    Â»Jason ist kein Geist«, sagte Trixie leise.
    Ihr Vater zog ihr die Mütze tiefer über die Ohren. Seine Augen waren so dunkel, dass sie sich selbst darin sehen konnte. »Gut«, sagte er, »dann gibt’s ja nichts, was dir Angst machen müsste.«

    Daniel wäre fast hinter Trixie hergerannt, als sie über den rutschigen Bürgersteig zum Schuleingang ging. Was, wenn er sich irrte? Was, wenn Janice und die Ärzte und alle anderen einfach nicht wussten, wie grausam Teenager sein konnten? Was, wenn Trixie noch verletzter nach Hause kam?
    Trixie hielt zum Schutz gegen die Kälte den Kopf gesenkt. Ihre grüne Jacke hob sich von dem Schnee ab. Sie drehte sich nicht mehr zu ihm um.
    Als Trixie klein war, hatte Daniel immer gewartet, bis sie wohlbehalten im Schulgebäude war, ehe er davonfuhr. Es gab so viele Gefahren: Er stellte sich gern vor, dass er sie mit einer undurchdringlichen Schutzhülle umgeben konnte, indem er sie einfach nur im Auge behielt, so wie er um einen seiner Comichelden ein schillerndes Kraftfeld gemalt hatte.
    Daniel wartete, bis Trixie durch die Flügeltür der Schule verschwunden war, dann fuhr er vorsichtig los. Er musste einen Sandsack besorgen und ihn hinten in den Pick-up legen, damit er im Schnee nicht so leicht ins Schleudern geriet. Im Augenblick war alles wichtig, was ihm half, das Gleichgewicht zu wahren.



3
    Trixie kannte die Geschichte hinter ihrem Namen, aber deswegen fand sie ihn nicht weniger scheußlich. Beatrice Portinari war Dantes große Liebe gewesen, die Frau, die ihn zu einer Fülle epischer Gedichte inspiriert hatte. Trixies Mutter, die Philologieprofessorin, hatte die Geburtsurkunde allein ausgefüllt, während ihr Vater (der seine neugeborene Tochter Sarah nennen wollte) auf der Toilette war.
    Dante und Beatrice waren jedoch kein Paar wie Romeo und Julia gewesen. Als Dante ihr das erste Mal begegnete, war er gerade mal neun, und er sah sie erst als Achtzehnjähriger wieder. Beide fanden andere Ehepartner, und Beatrice starb jung. Wenn das ewige Liebe sein sollte, dann konnte Trixie gut darauf verzichten.
    Als Trixie sich bei ihrem Vater

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