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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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zu Ende, doch ihr blieb noch genug Zeit, die Sachen aus ihrem Spind zu holen, ehe der Englischunterricht anfing. »Gut«, sagte der Direktor, »wenn du das möchtest.«
    Trixie floh aus dem Büro und ging blicklos durch das Gängelabyrinth der Highschool. In den Klassen wurde noch unterrichtet, alles war ruhig – nur der gedämpfte Klang der Blasinstrumente aus dem Musikraum im ersten Stock war zu hören. Sie stellte die Zahlenkombination an ihrem Spind ein, 40-22-38. He , hatte Jason vor einer Ewigkeit gesagt. Sind das nicht die Maße von Barbie?
    Trixie legte die Stirn an das kalte Metall. Sie musste sich doch bloß vier Stunden in die Klasse setzen. Sie konnte ihren Kopf mit Herr der Ringe und A = ппr² und dem Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand füllen. Sie musste mit niemandem reden, wenn sie nicht wollte. Alle ihre Lehrer waren entsprechend instruiert worden.
    Als sie ihren Spind öffnete, fielen ihr lauter kleine glitzernde Vierecke entgegen. Sie hob eines von den Dingern auf.
    Trojan, las Trixie. Feuchtlatexkondome der Spitzenklasse.

    Â»Die haben doch alle Sex«, sagte Marita Soorenstad, neigte den Kopf zur Seite und schüttete sich den letzten Rest limonengrünes Brausepulver in den Mund. In den fünfzehn Minuten, die Mike Bartholemew nun mit der Staatsanwältin zusammensaß, hatte sie drei Brausetütchen konsumiert. »In dem Alter wollen Mädchen, dass Jungs sie attraktiv finden, aber sie haben noch nicht gelernt, mit den dazugehörigen Gefühlen umzugehen. Ich erlebe das andauernd, Mike. Ein Mädchen wacht auf und merkt, dass jemand mit ihr Sex hat, und das Mädchen sagt kein Wort.« Sie knüllte das Brausetütchen zusammen. »Irgendein Richter hat mir erzählt, die Dinger wären ein Geschenk des Himmels, wenn man mit dem Rauchen aufhören will. Aber ehrlich, ich krieg davon nur einen zu hohen Blutzuckerspiegel und eine grüne Zunge.«
    Â»Trixie Stone hat Nein gesagt«, stellte der Detective klar. »Das steht in ihrer Aussage.«
    Â»Trixie Stone hatte getrunken. Was der Verteidiger nutzen wird, um ihr Urteilsvermögen infrage zu stellen. Oosterhaus wird behaupten, sie stand unter Alkoholeinfluss und hat Strip-Poker gespielt und die ganze Zeit bis zum Schluss immer nur Ja Ja Ja gesagt hat, bis sie es sich anders überlegte und auf einmal beschloss, Nein zu sagen. Er wird sie fragen, wie viel Uhr es war, als sie Nein sagte, und wie viele Bilder an den Zimmerwänden hingen und welcher Song gerade lief und ob der Mond im Skorpion stand – Details, an die sie sich unmöglich erinnern kann. Und dann wird er fragen, wie sie denn bitte schön noch wissen will, ob sie Jason gesagt hat, er soll aufhören, wenn sie sich nicht mal an solche Dinge erinnert.« Marita stockte. »Mike, ich sage nicht, dass Trixie Stone nicht vergewaltigt wurde. Ich sage nur, dass das nicht für jeden eindeutig auf der Hand liegt.«
    Â»Ich denke, die Eltern wissen das«, sagte Bartholemew.
    Â»Die Eltern wissen das nie, ganz gleich, was sie behaupten.« Marita klappte die Akte auf. »Was zum Teufel haben sie denn wohl gedacht, als ihre Tochter um zwei Uhr morgens noch nicht zu Hause war?«
    Bartholemew dachte an das Auto, das umgekippt im Straßengraben lag, an die Rettungsleute, die sich um den Körper seiner Tochter drängten, die durch die Windschutzscheibe geschleudert worden war. Er sah den Sanitäter vor sich, wie er den Ärmel ihres Shirts hochschob und die Blutergüsse und Einstichnarben entlang der Venen entdeckte. Er überlegte, ob sich der Mann gefragt haben mochte, was die Eltern wohl gedacht hatten, als sie sahen, wie ihre Tochter an diesem heißen Juliabend in einem langärmeligen Shirt das Haus verließ.
    Wir haben nichts gedacht. Wir wollten nichts denken, weil wir es nicht wissen wollten.
    Bartholemew räusperte sich. »Die Stones dachten, ihre Tochter übernachtet bei einer Freundin, deren Mutter zu Hause wäre.«
    Marita riss eine gelbe Brausetüte auf. »Na toll«, sagte sie und kippte sich den Inhalt in den Mund. »Also hat Trixie da schon gelogen.«

    Eltern möchten sich das nicht eingestehen, aber in der Schule geht es weniger darum, was ein Kind im Unterricht lernt, als darum, was sich drumherum alles abspielt. Es geht um die Fünfminutenpausen, in denen du erfährst, wo abends die Party stattfindet; um die richtige Lippenstiftfarbe, die

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