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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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beschwerte, sagte er, Nicolas Cage habe seinen Sohn Kal-el genannt, Supermans kryptonischer Name, und sie könne sich doch glücklich schätzen. Aber in Bethels Highschool wimmelte es nur so von Mallorys, Dakotas, Crispins und Willows. Trixie hatte jeden neuen Lehrer in ihrer bisherigen Schullaufbahn noch vor der ersten Stunde beiseitegenommen und darauf bestanden, Trixie genannt zu werden und nicht Beatrice , weil die anderen Kinder sonst jedes Mal einen Lachkrampf bekamen. In der vierten Klasse hatte sie eine Phase gehabt, in der sie sich selbst Justine nannte, aber das hatte sich nicht durchgesetzt.

    Summer Friedman stand zusammen mit Trixie im Sekretariat, weil sie zu spät gekommen war. Sie war groß und blond und dauergebräunt. Als sie sich umwandte und an Trixie vorbei nach draußen marschierte, zischte sie: »Nutte.«
    Â»Beatrice?«, sagte die Sekretärin. »Du kannst jetzt reingehen.«
    Trixie hatte das Büro des Direktors erst einmal betreten. Damals, im ersten Schuljahr, hatte sie als Klassenbeste abgeschnitten. Sie war zu Mr. Aaronsen bestellt worden, der sie mit einem breiten Grinsen begrüßt und ihr die Hand entgegengestreckt hatte: »Herzlichen Glückwunsch, Beatrice«, hatte er gesagt und ihr eine kleine Goldmedaille mit ihrem blöden Namen darauf überreicht.
    Â»Beatrice«, sagte er auch dieses Mal, als sie in sein Büro trat. Auch die Vertrauenslehrerin Mrs. Gray war anwesend. »Schön, dass du wieder da bist«, sagte Mr. Aaronsen.
    Ich freu mich auch. Die Lüge klebte säuerlich auf Trixies Zunge, und sie schluckte sie herunter.
    Der Direktor starrte auf ihr Haar, besser gesagt dahin, wo es mal gewesen war, aber er war höflich und enthielt sich jeden Kommentars. »Mrs. Gray und ich möchten dir nur noch einmal sagen, dass unsere Türen für dich jederzeit offen stehen«, sagte der Direktor.
    Trixies Vater hatte zwei Namen. Das hatte sie zufällig herausgefunden, als sie zehn war und in seinen Schreibtischschubladen herumgestöbert hatte. In einer fand sie ganz unten ein Foto von zwei Jungs, die vor einem Haufen Fische kauerten. Einer war weiß, der andere ein Eskimo. Auf der Rückseite stand: Cane + Wass, Fischcamp. Akiak, Alaska – 1976.
    Trixie war mit dem Foto zu ihrem Vater gelaufen, der vor dem Haus den Rasen mähte. Wer sind die Jungs?, hatte sie gefragt.
    Ihr Vater hatte den Rasenmäher abgestellt. Sie sind tot.
    Â»Wenn du dich mal wegen irgendwas unwohl fühlst«, sagte Mr. Aaronsen jetzt, »oder dich einfach mal irgendwo entspannen willst …«
    Drei Stunden später war Trixies Vater zu ihr gekommen. Der Junge rechts, das bin ich , hatte er gesagt und ihr das Foto erneut gezeigt. Und das ist Cane, ein Freund von mir .
    Aber du heißt doch nicht Wass, hatte Trixie eingewendet.
    Ihr Vater hatte ihr erklärt, dass einen Tag nach seiner Geburt, als er schon Daniel hieß, eine der Dorfältesten zu Besuch gekommen war und ihn plötzlich Wass genannt hatte – die Kurzform von Wassilie –, nach ihrem Mann, der eine Woche zuvor ins Eis eingebrochen und gestorben war. Die Yupik glaubten nämlich, ihre frisch Verstorbenen würden sich in einem neugeborenen Kind niederlassen. Die Dörfler lachten manchmal, wenn sie Daniel danach sahen, und machten Äußerungen wie: Oh, sieh mal an, Wass hat jetzt blaue Augen! Na ja, vielleicht hat Wass ja dafür extra Englisch gelernt!
    Achtzehn Jahre lang war er von seiner weißen Mutter Daniel genannt worden und von allen anderen Wass. In der Welt der Yupik, so erzählte er Trixie, kehrten Seelen in andere Körper zurück. In der Welt der Yupik kann keiner je wirklich fortgehen.
    Â»â€¦ mit den härtesten Konsequenzen zu rechnen hat«, sagte der Direktor, und Trixie nickte, obwohl sie nicht zugehört hatte.
    An dem Tag, als ihr Vater ihr von seinem zweiten Namen erzählt hatte, brannte ihr eine Frage auf der Zunge, als er abends kam, um ihr Gute Nacht zu sagen. Wieso hast du zuerst gesagt, die Jungen wären tot?
    Weil sie es sind , hatte er geantwortet.
    Mr. Aaronsen und Mrs. Gray standen auf, und erst jetzt begriff Trixie, dass die beiden sie in ihre Klasse begleiten wollten. Sofort bekam sie Panik. Das war ja noch viel schlimmer, als von ihrem Vater in die Schule gebracht zu werden.
    Â»Ã„hm«, sagte Trixie. »Ich glaube, ich geh doch lieber allein.«
    Die erste Stunde war schon fast

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