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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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du dir von deiner Freundin leihst, ehe du Französisch zusammen mit dem süßen Neuen hast, der frisch von Ohio hierhergezogen ist; es geht darum, von allen bewundert zu werden und gleichzeitig so zu tun, als wäre dir diese Art von Prominenz völlig egal.
    Nachdem all diese sozialen Interaktionen wie mit dem Skalpell aus Trixies Schulalltag herausgetrennt worden waren, merkte sie, wie wenig ihr das Lernen bedeutete. In Englisch konzentrierte sie sich auf den Text im Buch, bis die Buchstaben vor ihren Augen herumhüpften wie Popcorn im Topf. Dann und wann schnappte sie eine abfällige Bemerkung auf: Was für eine grässliche Frisur! Nur einmal hatte jemand den Mumm, sie direkt anzusprechen. Es war im Sportunterricht beim Hallenfußball. Nachdem die Lehrerin abgepfiffen hatte, kam ein Mädchen aus ihrer Mannschaft zu ihr und flüsterte: »Wenn du wirklich vergewaltigt worden wärst, würdest du jetzt nicht mit uns Fußball spielen.«
    Am meisten graute Trixie vor der Mittagspause. In der Cafeteria teilte sich die Schülermasse wie Amöben in gesellschaftlich polarisierte Grüppchen. Es gab die Künstler und die Skateboarder und die Schlauköpfe. Es gab die Sexy Seven, eine Mädchenclique, die die ungeschriebenen Moderegeln der Schule bestimmte. Es gab die Koffeinjunkies, die sich den ganzen Morgen an Kaffeebechern festhielten. Und dann gab es den Tisch, an dem Trixie früher ihren Stammplatz hatte – der mit den beliebten Kids, an dem Zephyr und Moss und eine lässige Truppe Eishockeyspieler saßen und so taten, als wüssten sie nicht, dass alle anderen sie heimlich beobachteten und über sie lästerten und sich dabei doch insgeheim wünschten, ihre eigene Clique wäre auch so cool.
    Trixie kaufte sich Pommes und Kakao – damit tröstete sie sich immer – und blieb mitten in der Cafeteria stehen, um sich nach einem Platz umzusehen. Seit Jason mit ihr Schluss gemacht hatte, war ihr Stammplatz für sie tabu gewesen, aber Zephyr hatte sich stets solidarisch mit ihr woanders hingesetzt. Heute jedoch entdeckte sie Zephyr an ihrem alten Tisch. Aus dem Hintergrundlärm drang ein Satz an ihr Ohr: »… das traut sie sich nie.«
    Trixie hielt sich krampfhaft an dem Plastiktablett fest. Schließlich ging sie zu den »Heizungshennen«, die sich immer am Heizkörper trafen. Das waren Mädchen, die weiße Stretchhosen trugen und deren Freunde aufgemotzte Pick-ups mit breiten Reifen fuhren. Mädchen, die mit fünfzehn schwanger wurden und das Ultraschallfoto stolz in der Schule herumzeigten.
    Eine von ihnen – eine Hochschwangere aus der Neunten – lächelte Trixie an, und das kam so unerwartet, dass Trixie beinahe gestolpert wäre. »Hier ist noch Platz«, sagte das Mädchen und nahm seinen Rucksack vom Tisch, damit Trixie sich setzen konnte.
    Viele Schüler machten sich über die Heizungsschnepfen lustig, aber Trixie hatte das nie getan. Sie fand das Leben dieser Mädchen, das weder vorher noch nachher beneidenswert war, zu deprimierend, um darüber zu lästern. Trixie hatte sich gefragt, ob die bauchfreien T-Shirts und der Stolz, mit dem sie ihre Situation zur Schau trugen, in Wahrheit nur verdecken sollten, wie traurig sie angesichts ihrer Zukunft waren. Wenn man nämlich so tat, als wollte man etwas unbedingt haben, dann konnte man vielleicht nicht nur den anderen etwas vormachen, sondern auch sich selbst.
    Damit kannte Trixie sich aus.
    Â»Ich hab Donna gefragt, ob sie Elvis’ Patentante wird«, sagte eines von den Mädchen.
    Â»Elvis?«, erwiderte ein anderes. »Ich dachte, du wolltest ihn Pilot nennen.«
    Â»Wollte ich auch, aber dann hab ich gedacht, vielleicht hat er ja Höhenangst. Das wär dann total blöd.«
    Trixie tunkte ein Pommes in einen Ketchupklecks. Er sah dünn und wässrig aus, wie Blut. Sie überlegte, seit wie vielen Stunden sie schon kein Wort mehr gesagt hatte. Was passierte eigentlich, wenn man seine Stimme nie benutzte? Schrumpfte sie ein und verdorrte?
    Â»Trixie.«
    Sie blickte auf und sah Zephyr, die sich ihr gegenüber niederließ. Trixies Erleichterung war grenzenlos – wenn Zephyr zu ihr kam, war sie bestimmt nicht mehr sauer auf sie! »Gott, bin ich froh, dass du hier bist«, sagte Trixie. Sie wollte irgendwas Lustiges sagen, wollte Zephyr zeigen, dass sie ruhig ganz normal mit ihr umgehen könne, aber ihr fiel nichts

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