Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
(nein). Hatte die Polizei angerufen (nein, aber Mrs. Walstone vom Ende der Straße, die neugierige Ziege). Dann hatte sie eine hektische Betriebsamkeit entfaltet: die Badezimmer geputzt, unter den Couchpolstern Staub gesaugt, eine Partie Monopoly vorgeschlagen, sobald sie sich von dem Anblick einer Trixie mit kurz geschorenem Kopf erholt hatte. Es war, so dachte Daniel, als wollte sie ihre Abwesenheit in den letzten Monaten wiedergutmachen, als hätte sie über sich selbst zu Gericht gesessen und ein Urteil gesprochen.
    Jetzt lag er im Bett und fragte sich, wie zwei Menschen mit nur einem halben Meter Abstand zwischen sich Millionen Meilen voneinander entfernt sein konnten.
    Â»Sie wussten es«, sagte Laura.
    Â»Wer?«
    Â»Alle. Im College.« Sie rollte sich zu ihm herum, sodass er das Grün ihrer Augen im Dunkeln sehen konnte. »Sie haben alle drüber geredet.«
    Daniel hätte ihr sagen können, dass das alles nicht einfach so verschwinden würde, nicht ehe er und Laura und Trixie es verarbeitet hatten. Das hatte er schon mit elf Jahren gelernt, als Canes Großvater ihn das erste Mal mit auf die Elchjagd genommen hatte. In der Dämmerung waren sie in einem kleinen Aluminiumboot ein Stück den Kuskokwim River hinuntergefahren. Daniel war an einer Flussbiegung abgesetzt worden, Cane an einer anderen, damit sie ein größeres Gebiet abdeckten.
    Daniel hatte sich zwischen die Weiden geduckt und überlegt, wann Cane und sein Großvater wohl zurückkamen, ob sie je wiederkommen würden. Als der Elch leichtfüßig aus dem Dickicht trat – dünne Beine, fleckiger Rücken, dicke Nase –, hatte Daniel das Herz bis zum Halse geschlagen. Er hatte das Gewehr gehoben und gedacht: Ich will das, mehr als alles auf der Welt .
    Und in diesem Moment war der Elch durch die Wand aus Weidenzweigen geschlüpft und verschwunden.
    Als er Cane und seinem Großvater auf der Nachhausefahrt erzählte, was geschehen war, hatten sie nur kopfschüttelnd kass’aq gemurmelt. Wenn du während der Jagd daran dachtest, was du jagst, konntest du dem Tier genauso gut zurufen, wo du warst. Wusste Daniel das denn nicht?
    Zuerst hatte Daniel das als Yupik-Aberglauben abgetan – so ähnlich wie ein schneller Läufer konnte nur werden, wer Fischschwänze aß. Aber als er älter wurde, begriff er, dass Worte Macht hatten. Eine Beleidigung musste nicht laut ausgesprochen werden, um dich zu kränken. Ein Schwur musste nicht geflüstert werden, damit du daran glauben konntest. Ein Gedanke, der sich dir im Kopf festgesetzt hatte, reichte voll und ganz aus, um die Handlungen von allen zu verändern, die dir über den Weg liefen.
    Â»Wenn wir irgendwie zur Normalität zurückkehren wollen«, sagte Daniel, »müssen wir so tun, als wären wir schon da angekommen.«
    Â»Wie meinst du das?«
    Â»Vielleicht sollte Trixie wieder zur Schule gehen.«
    Laura stützte sich auf einen Ellbogen. »Das ist nicht dein Ernst.«
    Daniel zögerte. »Janice hat das empfohlen. Es ist nicht gut für Trixie, wenn sie den ganzen Tag rumsitzt und immer wieder daran denken muss.«
    Â»Aber in der Schule sieht sie ihn.«
    Â»Laut richterlicher Anordnung darf Jason nicht in ihre Nähe. Sie hat genauso gut wie er das Recht, zur Schule zu gehen.«
    Nach langem Schweigen sagte Laura schließlich: »Sie soll nur dann wieder hingehen, wenn sie es wirklich will.«
    Auf einmal hatte Daniel das Gefühl, dass Laura nicht nur Trixie meinte, sondern auch sich selbst.
    Die Nacht legte sich schwer auf Daniel. »Warst du mal mit ihm hier? In diesem Bett?«
    Laura stockte der Atem. »Nein.«
    Â»Ich stelle mir vor, wie du mit ihm zusammen bist, und ich weiß nicht mal, wie er aussieht.«
    Â»Es war ein Irrtum, Daniel …«
    Â»Ein Irrtum. Du bist schließlich nicht eines Morgens aus dem Haus spaziert und irrtümlich mit irgendeinem Kerl im Bett gelandet. Du hast darüber nachgedacht. Du hast eine Entscheidung getroffen.«
    Die Wahrheit hatte Daniels Kehle versengt, und er merkte, dass er schwer Luft bekam.
    Â»Ich habe auch die Entscheidung getroffen, es zu beenden. Zurückzukommen.«
    Â»Soll ich mich dafür bedanken?« Er legte einen Arm über die Augen, lieber blind sein.
    Lauras Profil war in Silber gegossen. »Willst du … willst du, dass ich ausziehe?«
    Er hatte darüber nachgedacht. Ein Teil von ihm

Weitere Kostenlose Bücher