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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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einmal etwas Vollkommenes geschaffen hatten.
    Laura presste die Lippen gegen die Schläfe ihrer Tochter. »Dich liebe ich mehr«, sagte sie.
    Schon einmal hätte sie dieser Familie fast den Rücken gekehrt. War sie wirklich so dumm gewesen, es beinahe wieder zu tun? Sie weinte jetzt genauso heftig wie Trixie, sodass nicht mehr klar war, wer sich hier an wem festklammerte. In diesem Moment fühlte Laura sich wie die Überlebende eines Zugunglücks, die Frau, die aus den rauchenden Trümmern tritt und merkt, dass ihre Gliedmaßen noch heil sind, dass sie die Katastrophe wie durch ein Wunder unverletzt überstanden hat.

    Zuerst tauchte es auf dem Computerbildschirm in der Schulbibliothek auf, an dem man den Bücherbestand einsehen konnte. Von dort verbreitete es sich auf zwanzig iBooks und zehn iMacs im Computerlabor, als die neunte Klasse gerade einen Test schrieb. Fünf Minuten später hatte es alle PCs im Schulgebäude erreicht.
    Trixie saß in einer AG für die Schülerzeitung, als es passierte. Ihre Eltern waren zwar eigentlich dagegen, dass sie weiter zur Schule ging, aber sie hatte festgestellt, dass es das kleinere von zwei Übeln war. Ihr Zuhause war zu einem Minenfeld geworden, auf dem ständig Explosionen drohten. Die Schule würde ihr keinen Trost bringen. Aber sie musste lernen, in einer Welt zu funktionieren, in der sie nichts mehr überraschen konnte.
    Trixie saß neben einem Mädchen namens Felice. Sie hatten bisher nichts miteinander zu tun gehabt, aber Felice war die Einzige, die sich bereiterklärt hatte, mit Trixie zusammenzuarbeiten. Sie waren gerade dabei, mit einer Desktop-Publishing-Software Textspalten eines Artikels über das erfolglose Basketballteam hin und her zu schieben, als ihr Bildschirm auf einmal dunkel wurde. »Mr. Watford«, rief Felice. »Ich glaub, unser Rechner ist abgestürzt …«
    Der Lehrer kam herüber und griff zwischen den Mädchen hindurch, um mehrmals Control-Alt-Delete zu drücken, aber der Rechner wollte nicht wieder hochfahren. »Hmm«, sagte er ratlos.
    Â»Nein, Moment, jetzt geht er wieder«, sagte Felice, als der Bildschirm auf einmal in Technicolor erstrahlte. Und da stand Trixie halb nackt in Zephyrs Wohnzimmer – das Foto, das Moss in der Nacht der Vergewaltigung gemacht hatte.
    Â»Oh«, sagte Mr. Watford schwach.
    Trixie hatte das Gefühl, als wäre ihr ein Pfahl durch die Lunge getrieben worden. Sie riss sich vom Monitor los, griff nach ihrem Rucksack und rannte zum Sekretariat, wo sie mit den Worten hineinplatzte: »Ich muss mit Mr. Aaronsen sprechen …«
    Ihre Stimme brach wie ein Eiszapfen, als ihr Blick auf den Bildschirm der Sekretärin fiel, auf dem ihr ihr eigenes Antlitz entgegenstarrte.
    Trixie floh aus dem Büro, aus der Schule. Sie lief und lief, bis sie schließlich auf der Brücke über dem Fluss stand, wo sie und Zephyr auch an dem Tag gewesen waren, ehe sie ein anderer Mensch wurde. Sie kramte in ihrem Rucksack zwischen losen Stiften und zerknittertem Papier und Make-up-Spiegeln herum, bis sie das Handy fand, das ihr Vater ihr gegeben hatte – sein eigenes, für Notfälle. »Daddy«, schluchzte sie, als er sich meldete, »bitte komm mich holen.«
    Erst als sie das Handy nach dem Telefonat wieder wegstecken wollte, sah sie es: Der Bildschirmschoner ihres Vaters war jetzt das Foto von der halb nackten Trixie, das auf drei Viertel aller Handys in ganz Bethel überspielt worden war.

    Mike Bartholemew war überrascht, als es an seiner Tür klopfte. Er hatte dienstfrei, war aber trotzdem noch einmal in der Highschool gewesen und eben erst nach Hause gekommen. Gerade hatte er sich ein altes Sweatshirt von der Polizeiakademie übergezogen, in dessen Ärmel Ernestine ein Loch gekaut hatte. »Komme«, rief er, und als er die Tür öffnete, stand Daniel Stone vor ihm.
    Nach dem, was in der Schule passiert war, erstaunte es ihn nicht, Trixies Vater zu sehen. Bei seinen bisherigen Begegnungen mit Stone hatte er den Eindruck gewonnen, dass der Mann seine Tochter beschützen wollte und unglaublich frustriert war. Im Gegensatz zu manchen Männern, mit denen Bartholemew im Laufe der Jahre zu tun gehabt hatte, schien Daniel Stone seine Emotionen im Griff zu haben – bis jetzt. Der Mann, der da vor seiner Tür stand, zitterte vor Wut.
    Stone drückte Bartholemew einen Ausdruck des inzwischen

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