Schuldig
Bartholemew einen Blick zu. »Ich glaube nicht, dass der Junge sich umbringen wollte und von der Brücke gesprungen ist«, sagte sie. »Ich glaube, er wurde gestoÃen.«
Als Daniel Schluchzen hörte, ging er sofort davon aus, dass es Trixie war. In den Tagen seit Jasons Tod brach sie immer wieder völlig unvermittelt in Tränen aus â am Esstisch, beim Zähneputzen, vor dem Fernseher.
Manchmal nahm Daniel sie in den Arm. Manchmal setzte er sich einfach nur neben sie. Nie versuchte er, ihre Tränen zu stillen. Er fand, dass er nicht das Recht dazu hatte. Er wollte ihr nur zeigen, dass er für sie da war, falls sie ihn brauchte.
Doch diesmal führte das Schluchzen Daniel nicht zu Trixie, sondern in sein und Lauras Schlafzimmer, wo seine Frau auf dem Boden saà und einen Armvoll saubere Wäsche an die Brust drückte. »Laura?«
Als sie ihren Namen hörte, wandte sie den Kopf und wischte sich über die nassen Wangen. »Es tut mir leid ⦠es ist falsch, ich weià ⦠aber ich muss dauernd an ihn denken.«
An ihn . Daniels Herz krampfte sich zusammen, und er hatte das Gefühl, einen Schlag in die Magengrube bekommen zu haben.
»Es ist bloàâ¦Â« Laura fuhr sich über die Augen. »Er war doch auch das Kind von jemandem.«
Jason . Die Erleichterung, die Daniel empfand, weil Laura nicht um den namenlosen Mann weinte, mit dem sie geschlafen hatte, verflog, als er begriff, dass sie um jemanden weinte, der diese Art von Erbarmen nicht verdient hatte.
»Ich hab so viel Glück gehabt, Daniel«, sagte Laura. »Was, wenn Trixie letzte Woche gestorben wäre? Was, wenn ⦠wenn du gesagt hättest, ich soll ausziehen?«
Daniel streckte die Hand aus und strich Laura eine Haarsträhne hinters Ohr. Vielleicht musste man etwas fast verlieren, um sich zu erinnern, wie ungeheuer wertvoll es war. Vielleicht war das bei ihnen beiden so. »Ich hätte dich niemals gehen lassen.«
Laura erschauderte, als hätten seine Worte ihr einen Stromstoà versetzt. »Daniel, ich â¦Â«
»Du musst nicht unseretwegen weinen«, sagte er und zog sie an sich, »weil wir das alles überstehen werden.«
Er spürte, wie Laura nickte.
»Und du musst nicht um Jason weinen«, sagte er weiter, »weil er den Tod verdient hat.«
Er hatte die Worte bis dahin nicht ausgesprochen, obwohl sie ihm seit dem Augenblick durch den Kopf gegangen waren, als Laura den Anruf bekommen hatte. Aber genau so war die Welt, die er zeichnete. Eine Welt, in der Handlungen Konsequenzen hatten, in der Rache und Vergeltung den Herzschlag einer Geschichte ausmachten. Jason hatte Trixie verletzt. Also hatte Jason eine Strafe verdient.
Laura wich zurück und starrte ihn mit groÃen Augen an.
»Was denn?«, sagte Daniel trotzig. »Bist du schockiert, weil ich so etwas sage?«
Sie schwieg einen Moment. »Nein«, gestand sie schlieÃlich. »Weil du es ausgesprochen hast.«
Sobald Bartholemew das Digitalfoto von den FuÃabdrücken auf der Brücke in sein Softwareprogramm eingab und es mit einem Abdruck von Jasons Stiefel abglich, hatte er eine Ãbereinstimmung. Aber da war noch ein weiterer Schuhabdruck mit einer Profilsohle, die sich von Jasons unterschied, möglicherweise der Schuh des Täters.
Seufzend schaltete Bartholemew den Computer aus und nahm sich den Beweisbeutel mit den Fundstücken vom Tatort vor. Er holte das Handy heraus, das Jerry in der Nähe des Opfers gefunden hatte. Ein Motorola, genau so eines wie Bartholemews â hier oben in Maine hatte man nun mal nicht so viel Auswahl wie in den GroÃstädten.
Bartholemew drückte ein paar Knöpfe. Er fand keinerlei Nachrichten. Aber es gab ein Voice-Memo.
Er drückte die Kurzwahltaste 8, und plötzlich waren Geräusche eines Kampfes zu hören. Man hörte krachende Faustschläge und Ãchzen und Stöhnen. Er hörte Jasons Stimme, flehende Bitten, die immer wieder abbrachen. Und eine weitere Stimme, die er kannte: Wenn du je wieder in die Nähe meiner Tochter kommst, bring ich dich um.
Bartholemew stand auf, griff hastig nach seiner Jacke und machte sich auf den Weg zu Daniel Stone.
»Was meinst du, was passiert, wenn man stirbt?«, fragte Zephyr.
Trixie lag bäuchlings auf dem Bett, blätterte eine Ausgabe der VOGUE durch und sah sich blödsinnig teure Handtaschen und Schuhe an. »Du verwest«, sagte
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