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Schuldlos ohne Schuld

Schuldlos ohne Schuld

Titel: Schuldlos ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell-Olof Bornemark
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hast doch die Miete gezahlt, Martin, nicht wahr? Kündigungen müssen schriftlich sein. Wenn die kommt, muss man nur beim Wohnungsamt Einspruch erheben. Dir bleibt mindestens noch ein halbes Jahr.«
    Der Spatz grinst und schaut neunmalklug drein. In Angelegenheiten dieser Art fühlt er sich als Experte. Als er selbst vor langer Zeit aus seiner Wohnung geworfen wurde, sammelte er einige Erfahrungen.
    Martin antwortet nicht. Er steht immer noch mit demselben merkwürdigen Lächeln auf den Lippen mitten im Raum. Der Spatz hat den Eindruck, dass etwas Verklärtes auf seinem Gesicht liegt, so, als ob er plötzlich begonnen hätte zu begreifen, wirklich zu begreifen. Jedenfalls ist dies die Erklärung, die er später abgeben wird.
    Dem Verwalter ist das Blut ins Gesicht geschossen. Er fühlt sich gekränkt, und die Wut kocht in ihm. So ein verdammtes Pack! Dann beißt er die Zähne zusammen. Er wird ihnen schon zeigen, wer hier bestimmt, wer hier die entscheidende Macht besitzt.
    »Die Kündigung wird schriftlich bestätigt«, meint er steif. »Ich nehme Frau Nilsson als Zeugin.«
    Frau Nilsson nickt übereifrig und neigt feierlich das Haupt.
    »Selbstverständlich«, bestätigt sie ihn, meint aber offensichtlich so etwas wie: »Da hast du deinen Abschaum.« Sie sieht sehr zufrieden aus.
    Da macht Martin einige Schritte in ihre Richtung und hebt dabei seinen muskulösen rechten Arm, so dass die Tätowierungen vollständig sichtbar werden. Die Frau glaubt, er wolle sie schlagen, und der Verwalter bekommt einen leicht ängstlichen Gesichtsausdruck. So leicht ist es, jemanden zu erschrecken. Diese beiden zumindest. Martin demonstriert nur. Er droht nicht. Die Geste ist lediglich ein Ausdruck seines wiedergewonnenen Humors. Weder der Verwalter noch Frau Nilsson können sich vorstellen, dass Martin gegen niemanden von ihnen Groll hegt. Er sieht sie nicht als Feinde an.
    Ohne ein einziges Wort zum Abschied drehen sich der Verwalter und die Frau um und eilen zum Ausgang. Sie rennen fast die Treppe hinunter, wobei sie sich ängstlich umsehen. Wer kann voraussehen, was Verrückten wie denen da oben alles einfällt? Es kommt vor Frau Nilssons Wohnung zu einem hastigen Abschied und der Zusage einer weiteren Absprache. Dann rettet sie sich in die vertraute Sicherheit ihres Heims und verriegelt sorgfältig die Tür hinter sich. Für sie ist es ein sehr erfolgreicher Tag gewesen, und sie wird ihn noch lange Zeit genießen. Der Hausverwalter trippelt weiter auf die Straße hinunter. Erst als er einige Häuser weiter weg ist, beginnt er sich zu beruhigen und seine Würde wieder zu finden.
    Martin ist im Hausflur stehen geblieben. Als er begreift, dass seine Besucher außer Reichweite sind, benimmt er sich wie ein Affe. Er verbeugt sich mehrmals tief und spöttisch wie ein Narr. Es ist der Aussätzige, der seine sarkastische Verehrung der gesunden Übermächtigen Obrigkeit erweist, die, wie er weiß, ihm weder helfen kann noch will. Martin hat die einzige Waffe benützt, die er gegen sie besitzt: ihre Angst vor Ansteckung. Er spielt Theater und genießt seine Rolle, auch wenn er nur den Spatz als Publikum hat.
    Er geht wieder in die Wohnung zurück, und auch er verriegelt hinter sich. Als Martin in das Zimmer kommt und Leonards verständnislosen Augen begegnet, wird er sich plötzlich seiner Gesellschaft, der Unordnung, des Gestanks und der Unsauberkeit bewusst, und er lacht aus vollem Hals.
    »Was ist denn zum Teufel hier so lustig?«, fragt der Spatz irritiert.
    »Das wirst du nie verstehen, mein Freund«, antwortet Martin und legt seinen Arm beschützend um die Schultern des anderen.
    Sie haben vier Tage Saufen hinter sich, streng genommen ohne Unterbrechung, außer wenn sie erschöpft in Halbschlaf gefallen sind. Sie haben geredet und gestritten und können sich an kein einziges Wort von all dem, was gesagt und behauptet wurde, erinnern. Vielleicht haben sie einander Geheimnisse verraten, aber keiner hat zugehört, und keiner erinnert sich. Sie haben gesungen und gegrölt, gekotzt und gepinkelt. Manchmal haben sie für Stunden schweigend dagesessen und einander angeglotzt, eingeigelt in sich selbst, aber sie haben sich nie geprügelt. Der Spatz und Leonard kamen pünktlich um zehn am Abend desselben Tages, an dem sie mit Martin auf der Steinbank unten im Tunnel unter der Eisenbahn ins Gespräch gekommen waren und versprochen hatten, etwas Trinkbares zu beschaffen. Sie waren einigermaßen nüchtern, aber sie kamen nicht allein, sondern

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