Schule der Liebe
seinerzeit bei einer Konfrontation mit einem französischen Spion verspürt hatte - bei dem erbitterten Kampf und bei seinem letztendlichen Sieg, als er den Mann unschädlich gemacht hatte.
Sloane verdrängte diese Erinnerung und begrüßte Miss Hart mit einem leichten Kopfnicken. Sie lächelte, dann fuhr sie fort, sich im Saal umzusehen.
Ein junger Mann, der Sloane bekannt vorkam, den er bisher jedoch nicht bemerkt hatte, kam auf ihn zu. „Guten Abend, Onkel." Sloane war eine Sekunde lang sprachlos.
Der junge Mann lächelte. „Ich bin dein Neffe, David."
Sloane schüttelte verwirrt den Kopf. ,,Ja, ja, ich weiß, wer du bist. Ich muss gestehen, ich bin überrascht …"
Seit seiner Ankunft in der Stadt hatte kein Mitglied seiner Familie mit ihm gesprochen, ihn besucht oder ihn in irgendeiner anderen Form zur Kenntnis genommen. Er holte tief Luft und streckte die Hand aus. „Wie geht es dir, David?"
Der junge Mann erwiderte seinen Händedruck herzlich. „Es freut mich, dich kennenzulernen, Onkel."
Als Sloane, damals selbst noch ein Junge, seinen Neffen zuletzt gesehen hatte, war dieser ein kleines Kind gewesen. Damals hatte er seine Schulferien bei seiner Familie verbracht. Er entsann sich, dass sein Vater sehr zornig auf ihn gewesen war, doch der Anlass dafür war ihm entfallen. Vielleicht war er dabei ertappt worden, dass er mit den Feldarbeitern im Wirtshaus Bier getrunken hatte. Oder war es in jenen Ferien gewesen, in denen er den neuen Einspänner seines Vaters zum umkippen gebracht hatte?
David lächelte erneut. „Ich hatte mich dir schon früher vorstellen wollen, aber ich habe nie eine Gelegenheit dazu gefunden."
„Dein Vater und dein Großvater werden es nicht gutheißen, dass du mit mir sprichst", gab Sloane ernst zu bedenken.
Der junge Mann lachte. „Nein, das kann ich mir denken, aber ich versichere dir, ich teile ihre Ansichten nicht. Ehrlich gesagt finde ich, dass es Schande über unsere Familie bringt, wenn sie dich schneidet."
Unsere Familie? Diese Worte belustigten Sloane.
Davids Vater war der Sohn der ersten Gattin des Earl of Dorton - seiner tugendhaften Gattin. Sloanes Mutter war nicht tugendhaft gewesen. Sie hatte in aller Öffentlichkeit eine Liebschaft mit einem schneidigen, doch verarmten italienischen Grafen gehabt, und obgleich der Earl of Dorton Sloane als seinen Sohn anerkannt hatte, erzählte man sich überall, dass Sloane aus dieser leidenschaftlichen Affäre hervorgegangen sei.
Der Earl, der Mann, den er Vater nannte , hatte ihn mit dem Namen Cyprian gebrandmarkt, damit auch niemand je vergaß, was seine Mutter war. Was er war.
Von der Zeit an, da Sloane alt genug war, um solche Dinge zu begreifen, sorgte der Earl dafür, dass der Junge wusste, wie gütig es von ihm war, ihn als seinen Sohn anzuerkennen. Trotz der Bemühungen des Earls, seine Gattin auf seinem Landsitz festzuhalten, verließ sie letztendlich sowohl ihn als auch ihren Sohn und floh mit ihrem Grafen nach Paris, als Sloane drei Jahre alt war.
Dort gerieten sie und der Mann, der ihn gezeugt hatte, in die Revolutionswirren und starben als Aristokraten auf der Guillotine.
Sloane zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Neffen zu richten. „Dein Großvater wird wütend sein."
In Davids Augen blitzte der Schalk auf. „Ich werde mich auf die christliche Nächstenliebe berufen. Großvater wird es nicht wagen, dagegen etwas einzuwenden."
Sloane musste lachen. „Ich hoffe, dem Earl geht es gut, und deinem Vater auch?"
„Vater ist kerngesund", erwiderte der junge Mann. „Großvater ermüdet rasch, aber er würde es niemals zugeben. Ansonsten hat er sich eigentlich kaum verändert."
Während Sloane versuchte, der Flut schmerzlicher Erinnerungen Einhalt zu gebieten, die plötzlich auf ihn einströmte, erkundigte er sich höflich nach der Gesundheit weiterer Verwandter, die höchstwahrscheinlich die Straßenseite wechseln würden, um ihn nicht grüßen zu müssen. David gab ebenso höflich Auskunft, und beim Anblick seines offenen Gesichts war Sloane geneigt, zu glauben, dass seine Freundlichkeit möglicherweise aufrichtig war. Die äußere Erscheinung des jungen Mannes wirkte eher weich wie die eines Poeten als männlich. Er hatte die Gesichtszüge seines Vaters, die bei diesem Schwäche, bei ihm jedoch Güte erahnen ließen. Sloane musste ihn einfach gernhaben.
Im Lauf ihrer Unterhaltung sah Sloane hin
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