Schule der Liebe
verabreichen lassen, dass sie es nie wieder wagen würden, davonzulaufen. Jedenfalls nicht bevor sie ohnehin zu verbraucht waren, um noch von Nutzen zu sein.
Am darauffolgenden Morgen bat Morgana nach dem Frühstück Miss Moore, sie auf einen Spaziergang zu begleiten. Die Gesellschafterin brachte Lady Hart in ihren Salon und ließ sie in der Obhut ihrer Zofe zurück, dann begaben sich die beiden Frauen zu Fuß in den nahe gelegenen Park.
Morgana war zu dem Schluss gekommen, dass sie zuallererst mit Miss Moore sprechen musste, noch bevor sie Mr. und Mrs. Cripps oder den anderen Dienstboten irgendwelche Erklärungen lieferte. Sie war zuversichtlich, dass großzügige Lohnerhöhungen ihr die Unterstützung und das Schweigen des Personals sichern würden. Doch falls sie die prüde Miss Moore nicht dazu überreden konnte, sich an ihrem Plan zu beteiligen, wusste sie nicht, wie sie ihn durchführen sollte.
Morgana konnte eine ehrbare Dame wie Miss Moore nicht dazu zwingen, sich in eine Lage zu fügen, die ihr zuwider war. Und sie konnte sie auch nicht fortschicken. Wenn Miss Moore sie verließ, würde ihre Großmutter mit ihr gehen. Ohne ihre Großmutter wäre Morgana gezwungen, zu ihrer Tante Winnie zu ziehen, und dann bliebe den Mädchen - auch Lucy - nichts anderes übrig, als zu Mrs. Rice zurückzukehren.
„Ich muss mit Ihnen sprechen, Miss Moore", begann Morgana, als sie den Park erreicht hatten.
Miss Moore schenkte ihr ein herzliches Lächeln. „Geht es um die drei jungen Frauen, die zu Besuch da sind?"
„Sie wissen Bescheid?", rief Morgana bestürzt.
„O ja. Dilly hat uns gleich heute früh von den drei Mädchen erzählt. Wie hat sie sich doch gleich ausgedrückt? Solche Mädchen habe sie ihr Lebtag noch nie gesehen."
Morgana stöhnte innerlich auf. Dilly war die langjährige Zofe ihrer Großmutter, und beinahe ebenso alt wie diese.
„Ach, wahrscheinlich weiß ohnehin schon jeder Bescheid." Morgana zuckte hilflos die Achseln. Dann erklärte sie Miss Moore alles, so gut sie konnte. Sie verschwieg ihre Absicht, Harriette Wilson um Hilfe zu bitten, da sie nicht zu viel preisgeben wollte. Stattdessen betonte sie, dass die Mädchen, einschließlich Lucy, zu einem entsetzlichen Dasein verurteilt waren, wenn sie, Morgana, sich ihrer nicht annahm.
Miss Moore hörte ihr mit einem Stirnrunzeln zu, das die ganze Zeit über nicht aus ihrem Gesicht wich. Sie waren am Rand des Teichs angelangt, auf dem zwei Schwäne anmutig über das Wasser glitten. Miss Moore beobachtete die Schwäne, ohne sich zu der schockierenden Geschichte zu äußern.
Schließlich brach es aus Morgana heraus: „Ich weiß ja selbst, dass es skandalös ist und dass Sie sich fragen müssen, ob ich völlig den Verstand verloren habe, aber ich bitte Sie, Miss Moore, sagen Sie doch etwas!"
„Auch ich war einmal ein junges Mädchen, Miss Hart, so schwer es Ihnen fallen mag, das zu glauben."
„Selbstverständlich." Morgana hatte keine Ahnung, worauf die ältere Frau hinauswollte.
„Als ich noch jung und unreif und töricht war, wurden einmal Soldaten in meiner Heimatstadt einquartiert. Sobald sie sich in. die Kolonien einschifften, entdeckte ich, dass ich ein Kind erwartete. Ich war damals erst achtzehn Jahre alt."
Genau wie Lucy, dachte Morgana.
„Meine Eltern wollten nichts mehr mit mir zu tun haben. Sie verstießen mich. Wenn nicht Ihre Großmutter sich meiner erbarmt hätte, hätte ich keinen Ausweg mehr gewusst. Sie hat für mich gesorgt und mich als Gesellschafterin eingestellt."
„Was ist aus Ihrem Baby geworden?"
Miss Moores Augen füllten sich mit Tränen. „Ich ... ich hatte sehr wenig zu essen. Manchmal hatte ich auch kein Dach über dem Kopf. Als Lady Hart mich fand, war ich am Ende meiner Kräfte. Sie tat, was sie konnte, doch mein Baby hat seine Geburt nicht überlebt."
Morgana ergriff ihre Hand. „Das tut mir ja so leid!"
Miss Moore lächelte verlegen und blinzelte ihre Tränen fort. „Es ist schon lange her, aber ich weiß sehr gut, was den Mädchen, die Sie aufgenommen haben, bevorsteht. Wenn Sie ihnen ein besseres Leben bieten können, werde ich Ihnen dabei helfen!"
Morgana, die selbst mit den Tränen kämpfte, umarmte Miss Moore impulsiv. „Ich verspreche Ihnen, Sie werden es nicht bereuen. Sie sollen für den Rest Ihres Lebens eine Rente
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