Schule der Liebe
bereits herausposaunt worden."
„Unter anderem von dir", protestierte sie.
Er nickte, wodurch sich sein Gesicht dem ihren noch weiter näherte. „Es tut mir leid", murmelte er. „Verzeih mir."
Morgana hob ihr Antlitz zu ihm empor. Sie entsann sich gut, wie einfach es gewesen war, sich noch ein klein wenig höher zu recken und seine Lippen zu berühren.
Plötzlich hörten sie Gelächter, und Sloane zog sie zur Seite, sodass das Gebüsch sie vor fremden Blicken abschirmte. Ein junges Paar kam vorbei und küsste sich. Morgana war schockiert, als sie in der jungen Dame Athenia Poltrop erkannte und in deren Begleiter ih ren Cousin Varney.
Auch Sloane erkannte sie. „Nun, wenigstens weiß ich jetzt, worüber Miss Poltrop und Hannah getuschelt haben."
Der Gedanke an Hannah brachte Morgana jedes Mal zur Vernunft. „Du musst sicher wieder zu deinen Gästen zurückkehren."
Sloane legte ihr den Arm um den Rücken und drückte sie an sich. „Erst, wenn wir Lucy gefunden haben."
Bei der Eremitage entdeckten sie die junge Frau endlich. Lucy saß von heftigem Schluchzen geschüttelt auf einer Bank, und Mr. Elliot wiegte sie in seinen Armen.
„Lucy!" Morgana wollte auf sie zueilen, doch Mr. Elliot schüttelte den Kopf. „Was ist geschehen? Hat irgendjemand ihr etwas angetan?"
Elliot stand sein Schmerz deutlich ins Gesicht geschrieben. „Soll ich es sagen?", fragte er Lucy.
Das Mädchen nickte.
„Es hat ihr tatsächlich jemand etwas angetan, aber es ist schon lange her ..."
Elliot berichtete Morgana und Sloane, was Lucy ihm nach und nach anvertraut hatte, während sie miteinander Unkraut gejätet und Pflanzen gesetzt hatten. Kaum vierzehn Jahre alt, war Lucy von einem Nachbarn, einem Freund ihrer Familie, verführt worden. Dieser Mann redete ihr ein, es sei ihre eigene Schuld, sie sei diejenige gewesen, die ihn dazu verlockt hatte. Er nahm sich häufig Zeit für Lucy, die in ihrer Unerfahrenheit glaubte, das bedeute, dass er sie liebe. Er gab ihr Geld und andere Geschenke.
„Doch kurz bevor Sie sie einstellten, Miss Hart, brachte der Nachbar sie zu zwei fremden Männern. Sie vergingen sich an ihr, und die Männer bezahlten sie dafür. Als sie protestierte, lachte der Nachbar sie aus und sagte, sie solle es einfach genießen. Er sagte, sie sei bloß eine gewöhnliche Hure. Daher dachte Lucy, das müsse sie wohl sein."
„O Lucy!" Tränen brannten in Morganas Augen. Sie kniete neben der jungen Frau nieder, die sich ihr in die Arme warf. „Wie schrecklich!"
„Ich fing schon an, zu glauben, dass ich vielleicht doch nicht durch und durch schlecht bin", brachte Lucy unter Schluchzen hervor. „Sie, Madame Bisou und Miss Moore sagen uns ständig, dass wir wertvoll sind, ganz gleich, was wir getan haben. Aber dann sah ich ihn und musste wieder daran denken, wie ..." Ihre Stimme erstarb.
„Wer ist dieser Mann?" Sloanes Stimme durchschnitt die Stille der Nacht wie ein scharfes Messer.
Lucy hörte auf zu schluchzen und sah zu ihm empor. „Er heißt Mr. Castle. Ihm gehört das Knopfgeschäft neben dem Strumpfladen meines Vaters."
„Wo?", hakte Sloane in demselben scharfen Ton nach.
„Cheapside", antwortete sie. „Milk Street."
Er nickte.
Morgana erhob sich, den Blick starr auf Sloane geheftet. Sie ahnte, dass ein gefährlicher Zorn in ihm hochstieg. Seine Stimmung erfüllte sie mit Furcht.
„Ich werde Lucy zurückbringen, sobald sie sich ein wenig beruhigt hat", ließ sich Elliot vernehmen. „Sie können sie mir anvertrauen."
Daran hatte Morgana keinen Zweifel. Lucy war in sehr guten Händen. „Nun, dann wollen wir jetzt gehen. Ich werde den anderen sagen, sie habe einen Schreck erlitten, doch Sie hätten sie gefunden und ihr ihre Angst ausgeredet."
Elliot nickte.
Sobald Morgana und Sloane außer Hörweite waren, erkundigte sie sich: „Was hast du mit dem Mann, der sich an Lucy vergangen hat, vor?"
Sloane antwortete nicht.
„Wirst du ihn töten?"
Er sah ihr in die Augen. „Traust du mir so etwas zu?"
Sie hielt seinem Blick stand. ,,Ja." Sie konnte sich ohne Weiteres vorstellen, dass er fähig war, einen Verbrecher zu töten.
„Und es schockiert dich nicht?"
„Nein." In einem Winkel ihres Herzens verspürte Morgana selbst den unbändigen Wunsch, den Mann für das Unrecht, das er Lucy angetan hatte, seiner gerechten Strafe zuzuführen. „Wirst du es
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