Schule der Lüfte wolkenreiter1
ihre Augen. Philippa ging schneller, genoss den Spaziergang an der frischen Luft, freute sich über das Knirschen des Schnees unter ihren Stiefeln und die Stille der verlassenen Weide. Sie holte Luft, um nach Beere zu rufen, der vor ihr her zu dem Fichtenwäldchen gesaust war. Doch dann hielt sie den Atem an und verschluckte den Ruf. Beere hatte die Fichten erreicht und sich neben eine gesetzt. Offenbar hielt er die Aufgabe für erledigt.
Philippa war stehen geblieben und beobachtete erstaunt, wie das Mädchen und das Pferd zwischen den Bäumen hin und her preschten. Sie ritten im Zickzack, wechselten alle drei oder vier Schritte die Richtung, wirbelten am Ende des Wäldchens herum und galoppierten wieder zurück. Sie bewegten sich, als wären sie miteinander verwachsen, und
harmonierten so wundervoll zusammen, wie Philippa es nur selten gesehen hatte. Larkyns schlanke Gestalt schien mit dem geflügelten Pferd zu verschmelzen. Sie hielt den Rücken gerade und passte sich mühelos den Bewegungen Seraphs an. Ihre Hände hatte sie in der wehenden Mähne vergraben, so tief, dass sie nicht zu sehen waren. Tup lief ohne jede Anstrengung; jeder Schritt drückte sein Vergnügen aus, den Genuss seiner Jugend und pure Kraft. Er war ungesattelt und hatte auch kein Zaumzeug angelegt, sondern nur das Halfter, dessen Leine in einem Bogen locker unter seinem Hals hin und her schwang.
Philippa kehrte den beiden den Rücken zu. Natürlich müsste sie das Mädchen streng zurechtweisen. Sie müsste sich überzeugen, dass das Fohlen unverletzt war, und Larkyn eine letzte Mahnung erteilen. Außerdem müsste sie Margret davon berichten und diese Angelegenheit sofort in die Hand nehmen.
Nur würde sie nichts davon tun.
Als sie die Weide verließ, rannte Beere über den Schnee zu ihr. Der Hund war offensichtlich zufrieden, weil er seine Aufgabe erfüllt hatte, ließ sich jetzt von Philippa streicheln und lief neben ihr her, während sie die Finger in sein sei diges Fell grub.
Philippa dachte über das nach, was sie gerade beobachtet hatte. Larkyn war leicht und hatte Seraph gewiss keinen Schaden zugefügt. Und obwohl sie das Fohlen offensichtlich nicht zum ersten Mal geritten hatte, strotzte es vor Gesundheit. Falls Philippa diesen Verstoß meldete, wäre diese so empfindliche Begeisterung, deren Zeuge sie gerade geworden war, diese vollkommene Freude von Reiter und Pferd, von Verbündeten, zerstört und würde erstickt von Regeln, Bestimmungen und Disziplin. Irina Stark wäre
vermutlich geradezu entzückt davon. Dennoch, dachte Philippa, während sie über die Weide in Richtung Halle ging, hatte Irina in einem Punkt recht. Larkyn konnte unmöglich ohne Sattel fliegen. Es war nicht sicher genug. Die Herausforderung würde darin bestehen, das Mädchen davon zu überzeugen.
Philippa dachte an die ungelenke Schülerin, die von Schweinchens Sattel gerutscht und wie ein Sack Mehl auf den Boden geplumpst war. Es war ein bemitleidenswerter Anblick gewesen. Dann dachte sie an Larkyn und Schwarzer Seraph, wie sie völlig unbekümmert durch das Fichtenwäldchen gesaust waren.
Philippa Winter schoss bei diesem Gedanken die Frage durch den Kopf, ob sie sich eigentlich jemals so vollkommen frei gefühlt hatte.
Kapitel 26
W ilhelm musterte Irina mit einem leichten Anflug von Ekel. Dabei war die Pferdemeisterin nicht eigentlich hässlich. Sicher, sie hatte recht grobe Gesichtszüge, eine sehr auffällige Nase, ziemlich dicke Lippen und schwere Augenlider, doch nichts an ihr war direkt abstoßend. Es war eher die Art, wie sie sich bewegte oder vielmehr sich nicht bewegte. Zudem zerrte ihre monotone Stimme an seinen Nerven; ja, die Frau wirkte phlegmatisch, irgendwie abgestumpft und erinnerte ihn an einen Amtsrichter, mit dem er manchmal zu tun hatte, oder an den Vogt in einer großen, wohlhabenden und ungemein langweiligen Stadt.
Wilhelm strich die Weste glatt und blickte angelegentlich aus dem Fenster. Das blasse Sonnenlicht glitzerte auf der unberührten Schneedecke über den Ländereien von Fleckham. »Möchten Sie eine Tasse Tee, Pferdemeisterin?« Er musste sich zwingen, höflich zu klingen. »Der Flug war sicherlich kalt.«
»Ich bin nicht geflogen, Hoheit«, erwiderte sie. »Das hätte zu viel Aufsehen erregt. Ich bin mit der Kutsche gekommen.«
Sein Blick zuckte kurz zu ihr, dann sah er wieder aus dem Fenster. »Ach? Ich dachte, es wäre nicht ungewöhnlich, wenn sich eine Pferdemeisterin an ihren Herrn wendet.«
»Sie sind nicht mein
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