Schule der Lüfte wolkenreiter1
es irgendein Sattel jemals könnte. Als Zügel hatte sie nur die Leine des Halfters, doch selbst die brauchte sie nicht. Sie grub eine Hand in Tups Mähne, legte die andere auf seinen Hals, und schon waren sie in perfektem Einklang.
Durch den Wald zu galoppieren fand Lark beinahe so wunderbar, wie sie sich das Fliegen vorstellte. Tups geschmeidige Bewegungen auf dem schneebedeckten Gras
fühlten sich an wie ein wogender Strom; nichts ruckte, stieß oder wirkte unrhythmisch. Und er schien auf jeden ihrer Gedanken zu reagieren. Er wechselte die Richtung und fegte um den breitesten Baum herum. Sie legte sich in die Kurve, fand leicht das Gleichgewicht, und ihre Schenkel lagen so fest um seinen Körper, als wären sie dort angeklebt. Tup stellte die Ohren auf, und sein Atem vereinte sich mit dem ihren zu eisigen Wolken. In diesem Augenblick waren sie beide einfach nur unendlich glücklich.
Am späten Nachmittag fand Philippa Gelegenheit, mit Margret über Irina Starks Verhalten zu sprechen. Sie hätte Larkyn eigentlich helfen sollen voranzukommen, hatte aber kläglich dabei versagt. »Es gibt nichts Schlimmeres an einer Frau als Sturheit, gepaart mit Dummheit!«, schimpfte Philippa.
»Aber meine Liebe«, wiegelte Margret ab. »Vielleicht ist sie nicht dumm, sondern nur einfallslos.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie jemals das Fliegen erlernt hat!«, fauchte Philippa. »Sie hat Larkyn nichts beigebracht, außer jedes Mal aus dem Sattel zu fallen, wenn das Pony die Gangart wechselt!«
Margret rieb sich müde die Augen, und Philippa bedauerte ihren Gefühlsausbruch sofort. »Aber mach dir keine Sorgen, Margret«, fuhr sie ruhiger fort. »Ich werde das regeln. Ich werde … ich werde Larkyns Ausbildung selbst übernehmen.«
»Bei Kallas Zähnen«, meinte Margret. »Wenn du das tust, wird Irina vollkommen unerträglich.«
»Das dürfte kaum ein großer Unterschied zu ihrem jetzigen Verhalten sein!«
Margret strich über die ledergebundene Genealogie auf
ihrem Schreibtisch. »Ich weiß, es ist nicht einfach, Sympathie für Irina zu entwickeln«, gab sie ruhig zu. »Trotzdem versuche ich es. Ihr Vater steckte in Schwierigkeiten, und eine Zeit lang vermutete man, dass er sogar im Gefängnis säße. Ich habe keine Ahnung, wie er da wieder herausgekommen ist.«
Philippa seufzte. »Ich werde mich ihr gegenüber zusammenreißen, versuchen, sie zu verstehen. Aber leicht fällt mir das nicht.«
Margret lächelte sie müde an. »Danke. Jetzt geh und nimm dir ein bisschen Zeit mit Soni. Vergiss das Ganze für eine Weile.«
Philippa nickte und verließ das Büro der Leiterin. Während sie die Treppe zur Halle hinunterlief, streifte sie den Reitmantel über und zog ihn fest zu. Der Hof war verlassen. Der Himmel war grau, und die fahle Sonne war hinter den Schneewolken verschwunden. Als Beere von der Flugkoppel angetrottet kam, um sie zu begrüßen, war sie mit ihrem silbernen Fell vor dem grauweißen Hintergrund kaum zu unterscheiden.
Philippa wollte den Oc-Hund streicheln, doch Beere wich ihrer Hand aus und sprang zur Seite, als wollte er weglaufen, dann blieb er mit hoch erhobenem Schwanz stehen und sah sie erwartungsvoll an.
»Beere! Was hast du denn?«
Der Hund sprang mit ein paar kurzen Sätzen auf sie zu, sauste dann ein paar Schritte davon, hielt inne, wirbelte herum und sah sie abwartend an. Philippa lachte und ging mit ausgestreckter Hand auf den Oc-Hund zu. Beere wartete, bis sie auf Armeslänge herangekommen war, und rannte dann wieder ein paar Schritte weiter.
»Bei Kallas Fersen, Beere. Ich bin müde, und alles, was
ich will, ist Soni zu striegeln und mich ans warme Feuer zu setzen.«
Hechelnd musterte der Hund sie. Dann sprang er zwei Schritte zurück und setzte sich hin. Philippa schnalzte missbilligend mit der Zunge, gab dann jedoch nach.
Als sie sich in Bewegung setzte, fuhr Beere herum und trottete entschlossen in Richtung der Jährlingsweide vor ihr her. Philippa folgte ihm. Als sie den Zaun erreicht hatten, sprang Beere hinüber und wartete schwanzwedelnd, bis Philippa durch das Gatter trat.
»Wenn du bloß versuchst, mich zum Spielen zu überreden, werde ich ziemlich wütend!«, warnte Philippa ihn. Beere schien sie regelrecht anzugrinsen und trottete davon, Richtung Wald. Philippa zog die Handschuhe über und lief hinter dem Hund her.
Eigentlich war es ganz angenehm, die frische, kalte Luft in den Lungen zu spüren, und die fahle Landschaft und der graue Himmel waren eine Wohltat für
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