Schule der Lüfte wolkenreiter1
durfte. Es schien ihr nie etwas auszumachen.«
Lark biss sich auf die Lippe. »Hester«, sagte sie. »Ich habe es noch niemandem erzählt, und du darfst es auf keinen Fall tun …«
Ihre Freundin hob kritisch eine Braue. »Was hast du jetzt wieder angestellt, Schwarz?«
»Ich reite schon seit Erdlin auf Tup.«
Hester starrte sie an. »Du reitest seit …? Aber wie …?«
»Wir reiten ohne Sattel. Das ist ganz leicht!«
»Aber du kannst doch nicht … wenn du fliegst, kannst du unmöglich ohne Sattel reiten!«
»Aber ohne Sattel spüre ich Tups Bewegungen. Ich weiß genau, was er wann tut, und er weiß ganz genau, was ich will!«
Hester schüttelte den Kopf und schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Du willst dir offensichtlich unbedingt Ärger einhandeln.« Sie wendeten die Pferde und machten sich auf den Weg durch das Wäldchen zurück zu den Ställen. »Die Prüfung findet in nur sechs Monaten statt, und du musst fliegen können, um sie zu bestehen. Du dagegen beschwörst den Ärger förmlich herauf.«
Kapitel 28
E s war immer ein besonderer Anblick für Philippa, wie die Frühlingssonne auf den Türmen der Weißen Stadt glitzerte und den Flusslauf in ein silberglänzendes Band verwandelte. Es war wie das Licht am frühen Morgen, verhei ßungsvoll und voller Kraft. Der Frühling sollte eine fröh liche Jahreszeit sein, die neues Leben verkündete. Was für eine schreckliche Zeit, sich auf einen Tod vorzubereiten.
Doch der Tod beschäftigte alle in Oc, vom höchsten Adligen bis zum niedersten Diener. Eine Pferdemeisterin, die im Fürstenpalast diente, teilte der Akademie mit, dass die Ärzte das Ende Fürst Friedrichs für gekommen hielten.
Philippa absolvierte mit ihrer Klasse gerade Flugübungen, als unter ihnen ein Botenwallach auf das Gelände der Akademie zusteuerte. Mariella Stern, eine von Philippas früheren Schülerinnen, diente im Palast. Philippa riss den Blick von ihrer Klasse los und beobachtete, wie Mariella mit Stern hinunter auf die Landekoppel glitt. Ein Schauer überlief sie, und das lag nicht an der eiskalten Luft.
Sie flog mit Soni Quadrate, während Elisabeth und ihr Jäger die Klasse zu einer Staffel führten. Es war ein kompliziertes Manöver, und nicht alle Reiterinnen schafften es, das Staffelholz zu übergeben. Damit die Flügel des einen Pferdes nicht mit denen des anderen kollidierten, waren eine präzise zeitliche wie auch räumliche Abstimmung der Reiter vonnöten. Elisabeth und Jäger meisterten die Aufgabe
perfekt, doch das nächste Paar hatte Schwierigkeiten bei der Weitergabe des Staffelholzes, das im wirklichen Dienst eine Papierrolle, ein Paket oder sogar eine Waffe sein konnte. Es flog durch die klare Luft, und Philippa seufzte, während sie dem Holz nachsah, das zu Boden fiel. Natürlich hatte sie noch einen Staffelstab als Reserve im Sattel, doch sie war von Mariellas Ankunft abgelenkt und fragte sich, welche Neuigkeiten sie wohl bringen würde.
Mit einer Geste bedeutete sie, dass der Unterricht zu Ende sei. Elisabeth und Jäger setzten sich an die Spitze der Gruppe, um die Reiterinnen zur Akademie zurückzuführen. Philippa und Soni folgten den anderen ein Stück weit über ihnen. Soni schien Philippas Unruhe zu spüren, sie ging tiefer, landete sicher und galoppierte schnell bis ans Ende der Koppel. Nur eine Viertelstunde nach Mariellas Ankunft auf Stern eilte Philippa bereits die Stufen zur Halle hinauf und entledigte sich im Laufen ihrer Handschuhe und der Kappe.
Es waren schlechte Nachrichten, genau wie sie befürchtet hatte. Wenig später befand sie sich bereits auf dem Weg zum Palast, um sich ein letztes Mal von ihrem alten Freund zu verabschieden. Sonis Flügel schimmerten rötlich vor den weißen Kuppeln und der Rotunde. Als sie die Kuppel des Winterturms passierte, überkam sie die Sehnsucht nach den Tagen, als ihre Familie mit der Fürstenfamilie das Estian-Fest begangen hatte, als sie, ihre Schwestern und Pamella auf dem gepflasterten Platz mit Mersin, Wilhelm und Frans und sogar mit Friedrich selbst getanzt und sich gegenseitig mit duftenden Blütenblättern beworfen hatten, die im Frühling getrocknet worden waren. Die Blütenblätter wurden in kleinen Körbchen von Priestern verkauft, die versprachen, Estia werde den Käufern ein langes Leben schenken.
Estia hatte Friedrich nicht geholfen, doch das hatte Philippa auch nicht erwartet. Sie glaubte nicht an derlei Dinge, das hatte sie schon als Mädchen nicht getan.
Bis Kalla ihr Wintersonne
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