Schule der Lüfte wolkenreiter1
rasiert. »Philippa«, sagte er ernst. »Ich bin froh, dass Sie da sind. Mein Vater wollte Sie sprechen.«
Philippa nickte, ging durch den Raum zu dem hohen Bett und blickte in das eingefallene Gesicht ihres alten Freundes. Er ruhte halb sitzend auf einem Berg von Kissen. Mit dem langen knochigen Profil und den weißen Haarbüscheln erkannte sie ihn kaum wieder. Er atmete rasselnd und hatte die Augen geschlossen. Sie tastete nach seiner Hand unter
den Decken und drückte sie. »Friedrich, mein Gebieter«, sagte sie ruhig und deutlich. »Ich bin es, Philippa Winter. Philippa Insehl. Es betrübt mich sehr, Sie so krank anzutreffen.«
Frans stand ihr gegenüber und sah mit leicht geöffnetem Mund zu. Friedrich hob leicht die Lider, schloss sie jedoch gleich wieder. Er atmete flach und geräuschvoll ein, dann noch einmal. Es war, als müsse er Kraft sammeln, um sprechen zu können. »Philippa«, krächzte er. »Gut. Danke …«
Es folgte eine lange Pause. Wilhelm lehnte am Kopfende des Bettes, und als Philippa aufsah, bemerkte sie, dass er seinen Vater mit einem merkwürdigen Ausdruck musterte. Er schien nicht so erfreut über das bevorstehende Ende seines Vaters zu sein, wie sie erwartet hatte. Er verzog den Mund und sie fragte sich, ob er sich vielleicht jetzt, wo der Augenblick gekommen war, an den liebevollen Vater seiner Kindheit erinnerte oder Bedauern um das Ende einer bedeutenden Laufbahn empfand.
Sie hielt Friedrichs kalte, trockene Hand. »Lieber Friedrich«, sagte sie, »Sie haben so viel für mich getan und für uns alle, die wir fliegen. Margret hat mich ausdrücklich gebeten, Ihnen das zu sagen.«
»Bitte …« Seine flüsternde Stimme klang heiser.
Sie wartete, dass er weitersprach, doch es folgte eine lange Pause, in der er nach Luft rang. Schließlich beugte sie sich näher zu ihm. »Friedrich? Kann ich irgendetwas für Sie tun?«
Seine Finger bewegten sich schwach in ihren Händen, und er versuchte, die Augenlider zu öffnen. Für einen Augenblick gelang es ihm, und Philippa sah ein letztes Mal in die dunklen Augen, aus denen Intelligenz und Entschlossenheit sprachen.
Er redete atemlos, als wäre er aus der Puste. »Pamella. Bitte.« Dann schloss er wieder die Augen, die Finger erschlafften, und seine Brust senkte sich. Einige Sekunden vergingen, bevor sie sich mit einem müden Atemzug erneut hob.
Philippa blieb, wo sie war, und wartete in der Hoffnung, dass er noch etwas sagen würde. Sie sah zu Wilhelm auf. Wusste er, was Friedrich von ihr wollte?
Frans beugte sich von der anderen Bettseite vor und drängte: »Vater. Philippa versteht nicht. Was ist mit Pamella? Was soll Philippa tun?«
Es folgte eine quälende Pause, dann sagte Friedrich: »Erinnern.«
Philippa traf Frans’ gequälten Blick. Sie schüttelte leicht den Kopf, und er zuckte mit der schmalen Schulter. Eine ganze Weile blieben sie, wo sie waren, und lauschten dem Rasseln von Friedrichs Atem. Nach einiger Zeit ging Wilhelm zum Fenster und starrte hinaus. Einer der Ärzte kam zurück, legte eine Hand auf Friedrichs Stirn und ging wieder. Einen Augenblick später kam Andres herein, blieb am Fußende des Bettes stehen und verbeugte sich. Ein wei terer Arzt trat ein, nahm sich einen Stuhl in der Nähe der Tür, döste ein und schnarchte leise vor sich hin. So warteten sie, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Es war Nachmittag, als Friedrich ein letztes Mal tief Luft holte, sie ausstieß und dann nicht wieder einatmete. Der Arzt beugte sich über ihn, richtete sich wieder auf, sah Andres an und schüttelte leicht den Kopf.
Der Kammerdiener wandte sich an Wilhelm, der nach wie vor am Fenster stand, und verbeugte sich tief. »Durchlaucht«, sagte er feierlich, »Ihr Herr Vater ist tot. Lang lebe der neue Fürst.«
Wilhelm drehte sich langsam um. Sein Blick streifte die reglose Gestalt im Bett, ruhte kurz auf Frans und Philippa und richtete sich dann auf Andres. Philippa dachte, dass sie noch nie einen so vielschichtigen Gesichtsausdruck gesehen hatte. In dem Zug um seinen Mund erkannte sie aufrechten Kummer. Doch in seinen Augen blitzte eindeutig Triumph.
»Andres«, sagte er mit seiner hellen Stimme. »Unterrichten Sie meine Mutter und beauftragen Sie den Sekretär meines Vaters, eine Mitteilung zu verfassen.«
Der Diener verbeugte sich erneut und verschwand. Der Arzt verneigte sich ebenfalls vor dem neuen Fürsten und folgte Andres aus den Gemächern.
»Und jetzt«, fuhr Wilhelm fort. Er stand kerzengerade da und zog mit
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