Schule der Lüfte wolkenreiter1
beiden Händen die bunte Weste straff. Philippa hatte den Eindruck, dass sich seine Worte vor allem an sie richteten. »Jetzt geht es los.«
Drei Tage nach Friedrichs Tod wurde Eduard Krisp seiner Aufgaben enthoben.
Philippa und Margret ließen die Schülerinnen der zweiten und dritten Klasse zusammenkommen, da sie den Leichenzug in der Luft eskortieren sollten. Die Mädchen der ersten Klasse, deren Pferde noch nicht alt genug für einen so langen Flug waren, sollten mit der Kutsche in die Weiße Stadt fahren und der Prozession zu Fuß folgen. Sie bewunderten die älteren Mädchen und ihre Pferde, als sie sich für ihre erste feierliche Aufgabe vorbereiteten.
Schwarze Bänder waren in die Mähnen und Schwänze eines jeden Pferdes geflochten, ob Kämpfer, Bote oder Nobler. Ihre Sättel waren mit schwarzen und silbernen Streifen geschmückt, und die Mädchen trugen silberne
Armbinden über ihren schwarzen Reitmänteln. Als die Reiterinnen hinaus zur Flugkoppel ritten, sagte Margret ruhig zu Philippa: »Der neue Zuchtmeister ist ein Mann namens Jinson.«
Philippa seufzte. »Der arme Eduard. Und erst sein Sohn! Diese Position ist bisher immer vom Vater an den Sohn weitergegeben worden.«
»Das hat sich ab sofort geändert, fürchte ich.«
»Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass dieser neue Mann sich mit den Blutlinien auskennt? Um die Gefahren der Inzucht weiß und wie man Stärken fördert und Schwächen ausmerzt?«
Margret zuckte bedeutungsvoll mit den Schultern. »Ich weiß nur, dass dieser Jinson der private Rittmeister des neuen Fürsten ist.« Sie seufzte. »Und das ist noch nicht alles.«
Die Fliegerinnen hatten sich alle auf der Koppel versammelt. Rosella stand mit Soni im Hof und wartete auf Philippa. Philippa und Margret gingen die Treppe hinunter. »Was denn noch?«
»Ich habe heute Morgen eine Anweisung erhalten«, erklärte Margret. »Von Seiner Durchlaucht persönlich.«
»Tatsächlich?«
»Ja«, sagte Margret leichthin. »Auf einem Briefbogen mit dem Siegel des Fürsten. Irina Stark soll unverzüglich zur Seniorpferdemeisterin ernannt werden.«
Philippa blieb wie angewurzelt auf der letzten Stufe der Treppe stehen. »Das kommt mir sehr merkwürdig vor. Wieso interessiert sich Wilhelm für Irinas Stellung?«
»In der Anweisung war die Rede von ihrem Dienst an der Grenze.«
»Was wirst du tun?«
Margret blickte an Philippa vorbei auf die Reihen geflügelter Pferde, ihre Pferdemeisterinnen, die Schülerinnen und Lehrerinnen. »Ich werde der Anweisung selbstverständlich Folge leisten«, erwiderte sie. »Ich diene dem Fürsten seit über vierzig Jahren. Gehorsam ist meine Pflicht.«
Wie die anderen Schülerinnen trug auch Lark ihr bestes Wams, einen sauberen Reitrock, geputzte Stiefel, ordentliche Handschuhe und hatte die Kappe sorgfältig auf ihren kurzen Locken festgesteckt. Sie versuchte mit allen Mitteln, sich feierlich zu fühlen, doch die Hügel im Westen blühten in allen Grüntönen, und in den Hecken zwitscherten die Vögel. Die frisch geweißten Zäune glänzten in der Sonne. Mehr als hundert Fliegerinnen hatten sich in vier Reihen auf der Flugkoppel aufgestellt und wurden von schwarzen und silbernen Bändern umweht. Flügel raschelten, unruhige Hufe scharrten in dem jungen Gras. Zwei Pferde, ein kastanienfarbener Nobler und ein brauner Bote, wieherten schrill. Ihre Reiterinnen führten sie aus der Reihe und lie ßen sie enge Zirkel am Zügel laufen. Erst als sich die Pferde beruhigt hatten, kehrten beide an ihre Plätze zurück.
Lark hörte, wie Tup von den Ställen herüberwieherte und mit den Hufen gegen die Wand des Stalls hämmerte, offenbar gereizt, weil man ihn von diesem Ereignis ausschloss.
»Alle unsere Pferde wären jetzt gern dabei«, murmelte Hester ihr ins Ohr.
Lark antwortete zerknirscht: »Aber nur Tup beschwert sich so laut, dass jeder es hören kann!«
Hester grinste, erinnerte sich dann jedoch an den feierlichen Anlass und setzte eine ernste Miene auf. »Das verwächst sich, keine Sorge.«
»Er möchte mit euch anderen an den Bodenübungen teilnehmen. Und ich auch«, erklärte sie.
Hester nickte. »Ich würde sagen, dass es dafür etwas zu spät ist.«
Sie hörten Hufgeklapper auf dem Kopfsteinpflaster, drehten sich um und sahen Philippa und Wintersonne zü gig durch das Gatter der Koppel traben. »Oh!« Lark presste ihre Hand auf die Kalla-Figur, die sie unter ihrem Wams trug. »Sie sind wunderschön, nicht wahr, Hester? Meisterin Winter …
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