Schule der Lüfte wolkenreiter1
und lehnte sich gegen die Stallwand, während Philippa Soni trocken rieb.
»Nein.« Philippa legte das Tuch beiseite. »Jolinda hat kein geflügeltes Fohlen gesehen. Ich habe mich in den Stallungen des Palastes umgesehen, aber da waren nur die sieben Pferdemeisterinnen, die im Dienste des Fürsten stehen. Und natürlich die nicht geflügelten Pferde, die Wilhelm aus Fleckham mitgebracht hat. Sie bereiten noch die Ställe für sie vor; es sind hübsche Pferde, Boten und Noble und ein Kämpfer.«
»Klingt, als wäre es dort recht geschäftig zugegangen.«
»Das ist es auch.«
»Und Irina?«
»Sie habe ich ebenfalls nicht gesehen. Wilhelm hat mir nichts verraten, was ich nicht schon wusste.« Philippa streichelte Soni und legte dann ihre Wange an den schlanken Hals der Stute. Ruhig sagte sie: »Ich fürchte, bei dem neuen Fürsten bin ich der Akademie nicht gerade von Nutzen, Margret.«
»Ich weiß, dass du eine komplizierte Vergangenheit hast«, erwiderte Margret. »Aber sicherlich wird er zum Wohle des Fürstentums …«
»Irgendetwas sehr Seltsames geht mit ihm vor.« Philippa richtete sich auf und rieb sich den schmerzenden Nacken.
»Das wussten wir doch bereits«, sagte Margret. »Ich wünschte nur, du hättest herausfinden können, warum er …«
»Ich meine etwas anderes, Margret.« Philippa sah ihrer Freundin in die Augen. »Und das hat nichts mit dem Fohlen zu tun. Ich … ich habe Wilhelm versehentlich berührt. Wir haben uns gestritten, und ich dachte, er wolle mich schlagen. Ich habe die Hand ausgestreckt, um ihn wegzustoßen und ich …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann es selbst kaum glauben. Wenn ich es nicht gefühlt hätte …«
Margret runzelte die Stirn. »Was denn, Philippa? Was hast du gefühlt?«
Philippa berührte ihre Brust mit der flachen Hand, dann griff sie spontan nach Margrets Hand und drückte sie flach gegen ihre eigene schmale Brust. »Fühlst du das?«
»Was?«
»Wilhelms Brust …« Sie ließ Margrets Hand los. »Er trägt diese weiten bestickten Westen aus gutem Grund. Du
denkst bestimmt, dass ich mich getäuscht habe. Wie gesagt, ich glaube es selbst kaum, aber … aber Wilhelms Brust ist genauso gewölbt wie meine. Oder deine.« Sie stockte und fasste sich mit ihrer behandschuhten Rechten an den Mund. »Wie die einer Frau.«
Als sie gerade die Stufen zur Halle hochgingen, lief Hester auf sie zu. »Meisterin Winter!«, rief das Mädchen. »Leiterin Morghen. Bitte verzeihen Sie!«
Die beiden Frauen drehten sich gleichzeitig um und sahen Hester entgegen, als sie die Treppe hinaufstürmte. Sie war kein sehr attraktives Mädchen, dafür war sie zu groß und knochig, doch Philippa hatte gesehen, wie anmutig sie im Sattel saß. Von Hester ging eine unbeschreibliche Selbstsicherheit und Autorität aus, die sie zweifellos mit ihrer Muttermilch eingesogen hatte. Das würde ihr bei ihrer beruflichen Laufbahn zweifellos zugutekommen.
»Was gibt es, Hester?«, erkundigte sich Philippa.
»Es geht um Schwarz«, sagte Hester leise und eindringlich. »Sie lag heute Morgen nicht in ihrem Bett, und im Stall war sie auch nicht. Wissen Sie, wo sie sein könnte? Ist sie vielleicht mit Meisterin Stark zusammen? Beim Frühstück und Mittagessen hat sie ebenfalls gefehlt.«
»Sind Sie sicher, Hester?«, erkundigte sich Margret.
»Ich habe überall nachgesehen, Leiterin. In der Bibliothek, im Schlafsaal, in der Sattelkammer … Lark ist einfach verschwunden. Und ihr Fohlen ebenfalls.«
»Bei Kallas Zähnen!«, knurrte Philippa und sah an Hesters besorgtem Gesicht vorbei zu Margret.
Die Leiterin verengte die Augen und presste die Lippen zusammen. »Kommen Sie mit, Hester«, befahl sie, ging die Treppe hinauf, durch die Halle zu ihrem Büro und schloss
hinter ihnen die Tür. Dann trat sie ans Fenster, zog die Vorhänge zurück, ließ die Sonne herein, in deren Licht die dunklen Möbel glänzten, und sank auf ihren Sessel. Hester stand an der Tür und zupfte nervös mit den Zähnen an ihrer Unterlippe.
Philippa lief besorgt hin und her, zog die Handschuhe aus und knetete sie zwischen ihren Fingern. »Sie ist ihm gefolgt«, sagte sie.
Margret wandte sich zu ihr. Im Gegenlicht wirkten ihre Haare wie ein grauer Heiligenschein, und die Sorge hatte sich tief in ihr Gesicht gegraben. »Woher weiß sie, wohin sie gehen muss?« Leiser fuhr sie fort: »Wo wir doch nicht einmal wissen, wo oder wer …«
»Was ist denn passiert, Meisterin Winter? Braucht Lark Hilfe?«, mischte sich Hester
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