Schule der Lüfte wolkenreiter1
auslöschen, die sich über Jahre hinweg zwischen ihnen aufgebaut hatte. »Sie können mir nichts anhaben, Wilhelm. Ich bin eine Pferdemeisterin, und das können Sie mir einfach nicht verzeihen, oder? Ich fliege eines von Kallas Geschöpfen, ein Lebewesen, dem Sie sich nicht einmal nähern können!«
»Warten Sie nur ab!«, kreischte er und schlug dann die Hand vor den Mund, als wolle er verhindern, dass ihm noch mehr Worte herausrutschten.
»Worauf, Wilhelm? Worauf soll ich warten?«, fragte sie provozierend.
Er biss die Zähne zusammen, und eine Weile herrschte Schweigen im Raum. Das Geräusch des letzten Karrens, der vom Hof rollte, drang zu ihnen herauf, und irgendwo im Park wieherte ein Pferd.
Dann beugte sich Wilhelm entschlossen vor und nahm die Gerte auf. Er schritt um den niedrigen Tisch herum und blieb dicht vor Philippa stehen. Sie wich einen Schritt zurück, doch ihre Beine stießen gegen einen kleinen Tisch hinter ihr, und sie saß in der Falle. Wilhelm trug Stiefel mit hohen Absätzen und war ein Stück größer als sie. Er hatte seine Fassung wieder gefunden und blickte mit einem fast gönnerhaften Ausdruck auf sie hinunter. »Machen Sie sich keine Sorgen, Philippa«, sagte er. »Die Zukunft von Oc liegt jetzt in unseren Händen. Wir tun, was wir für das Beste halten.«
»Hören Sie mit diesem ›Wir‹-Unsinn auf!«, zischte Philippa. »Ich weiß sehr gut, wie Sie wirklich sind.«
Sie stand so dicht vor ihm, dass sie hörte, wie er bei ihren Worten die Luft anhielt. Er kniff die Augen zusammen, und sein Nacken wurde ganz steif. Dann presste er die Gerte mit der Linken auf ihren rechten Arm. Durch den Stoff ihres Wamses fühlte sich das Leder merkwürdig kühl an. Sie versuchte, den Arm wegzuziehen, doch Wilhelm packte sie mit der rechten Hand an der Schulter.
»Ich glaube«, erwiderte er beinahe im Plauderton, »dass Irina Stark eine sehr gute Pferdemeisterin sein wird. Denken Sie nicht?«
»Vermutlich ist sie ebenso gut als Pferdemeisterin wie Sie als Fürst«, konterte Philippa.
»Sie … Sie Schlampe !« Wilhelm hob die Gerte, und Philippa erwartete, im nächsten Moment den Schlag zu spüren.
»Wagen Sie es nicht!« Sie hob den Arm, der auf einmal wieder frei war, und drückte ihre flache Hand auf seine Brust, um ihn zurückzustoßen.
Wilhelm stieß einen unartikulierten Schrei aus, taumelte zurück und ließ die Gerte fallen. Philippa starrte ihn entgeistert an. Ihr Blick zuckte zu seiner bestickten Weste, dann wieder zu seinem glatten, blassen Gesicht. Langsam, ganz langsam zog sie die Hand zurück.
»Wilhelm«, flüsterte sie. »Wilhelm, was, in Kallas Namen …?«
»Lassen Sie mich in Ruhe«, sagte er heiser. »Verschwinden Sie! Und wagen Sie es nicht noch einmal, nie mehr, mich zu berühren!«
»Aber Wilhelm, was ist los? Was ist mit Ihnen … Ist etwas mit Ihnen nicht in Ordnung?«
Er deutete zur Tür; sein ausgestreckter Arm bebte vor Wut. »Gehen Sie, Philippa«, schrie er mit schriller Stimme.
»Ich habe versucht, Sie höflich zu behandeln, wollte Ihnen Respekt zollen, wegen der Akademie und weil mein Vater Sie mochte. Sie jedoch haben sich immer für etwas Besseres gehalten, und das werde ich nicht länger dulden. Verschwinden Sie aus meinem Blickfeld, und kommen Sie niemals wieder!«
Kapitel 32
B eere schnüffelte mit seiner schmalen Schnauze dicht über dem Boden und knurrte kehlig.
»Hast du die Spur gefunden, Beere? Kannst du ihn noch wittern?«
Der Hund winselte und lief nach links. Lark folgte dicht hinter ihm. Die Spur führte sie weg von der Straße, über einen von Bäumen überschatteten Weg, der viel zu schmal für Karren oder Kutschen war. Sie war schon lange vor Morgengrauen mit Beere aufgebrochen, und ihre Stiefel waren für schmale Steigbügel und nicht für lange Spaziergänge gemacht. Ihr brannten die Füße, und die obere Kante des Stiefelschafts scheuerte unter ihrem Hosenrock die Waden wund. Den Reitmantel trug sie jetzt, da die Sonne hoch am Himmel stand, über dem Arm. Einige Frühlingswolken segelten langsam über den Himmel, doch glücklicherweise drohte es nicht zu regnen. Regen würde die Spuren verwischen, und dann wäre alles ver loren.
Wieder blieb Beere stehen, schnüffelte im Schlamm und trottete dann weiter. Lark bemühte sich, mit ihm Schritt zu halten, erschöpft und entschlossen. »Guter Junge«, murmelte sie dem Oc-Hund zu. »Weiter so, Beere. Wir finden ihn.«
Sie hatte keine Ahnung, was Meisterin Winter oder die Leiterin tun
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