Schule der Lüfte wolkenreiter1
verführen. Sie ging um das Haus herum zur südöstlichen Seite, lehnte sich an den Wall aus schwarzem Stein und ließ den Blick über den Küchengarten schweifen. Tup und Molly begleiteten sie. Molly fraß ein bisschen von dem Gras, das aus den Steinen wuchs, und Tup lehnte den Kopf gegen Larks Schulter. Gedankenverloren strich sie ihm über den Hals und betrachtete die alten Himbeersträucher, die vertrockneten Kürbisstöcke und die kahlen Beete, die darauf zu warten schienen, dass sie dort Salat, Karotten und Kartoffeln pflanzte. Wer würde den Garten bestellen, wenn sie nicht mehr da war? Es war der letzte Sommer, in dem sie Samen setzen, Tomaten hochbinden und Stangenbohnen bündeln würde. Und selbst dieses Jahr war die Zeit schon knapp, denn sie musste jede Woche nach Park Dikkers fahren und sich von der dortigen Pferdemeisterin unterrichten lassen.
Sie wandte sich um und streckte ihr Gesicht der Sonne entgegen. Das Fohlen stupste mit dem Maul gegen ihre
Hand, woraufhin sie seinen Kopf an sich heranzog und ihr Gesicht in der seidigen Mähne vergrub. Sie roch wie Sonnenschein und Stroh oder wie gute, saubere Erde.
Doch plötzlich warf Tup den Kopf hoch, und sie wurde von der ruckartigen Bewegung zurückgeschleudert. »Was hast du denn?«
Er hatte die Ohren aufgestellt und riss die Augen weit auf. Sie folgte seinem Blick.
Ein mächtiges braunes Pferd trabte aus Richtung des Dorfes heran und bewegte sich beinahe lautlos durch den Morast. Lark sah zu, wie der Reiter, ein großer schlanker Mann, abstieg und die Zügel um das gusseiserne Tor wickelte. Er nahm den Hut ab, und seine weißblonden Haare glänzten in der Sonne. Unter dem Reitmantel trug er die schwarz-silberne Uniform des Fürsten, doch Lark war sich sicher, dass es nicht der Zehnt-Eintreiber war. Seine Stiefel waren auf Hochglanz poliert, und um die schmalen Hüften trug er einen mit Silber beschlagenen Gürtel. Die reich bestickte Weste darunter hatte er gewiss in Oscham erworben, in den vornehmen Geschäften der affektierten Adligen.
Als der Mann den Hof überquerte, schnaufte Tup und legte die Ohren an. Plötzlich wurde Lark bewusst, dass sie ganz allein auf dem abgelegenen Hof war. Sie schlang den Arm um Tups Hals. Die Rübenarbeiter befanden sich auf dem südlichen Feld, eine Viertelstunde entfernt. Sowohl Nikh als auch Edmar würden erst in Stunden zurückkommen.
Andererseits war dies hier ein vornehmer Herr, der die Farben des Fürsten trug. Er war bestimmt ein Edelmann, vielleicht sogar ein Adeliger von hohem Rang. Vielleicht hatte er genau wie die Dorfbewohner von dem Fohlen gehört
und war gekommen, um sich das Wunder mit eigenen Augen anzusehen. Sie richtete sich auf, machte sich so groß es ging, strich die milchbefleckte Schürze glatt und hoffte, dass ihre Stiefel nicht allzu schmutzig waren.
Er blieb neben dem Rautenbaum stehen. Er weiß es, dachte sie. Er weiß, dass ihn das Fohlen nicht dulden wird.
Tup schnaufte noch einmal und klappte die Ohren zur Seite, als verwirre ihn etwas. Aus seiner Kehle drang ein Laut, der weder ein Wimmern noch sein übliches Begrü ßungswiehern war. Sie tätschelte ihn und nickte dem Mann zu: »Guten Morgen«, begrüßte sie ihn.
Seine blassen Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln. »Es ist ein schöner Morgen, junge Dame.« Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu, während sein Blick über Tup, die Ziege und schließlich zu Lark zuckte. Sie bemerkte, dass er genau wie Philippa Winter eine kleine Reitgerte in der Faust hielt, die mit den Bewegungen seiner Arme auf und ab schwang. Er kam noch einen Schritt näher, und Tup legte wieder die Ohren an.
Er lachte. »Oh, das Fohlen mag mich nicht.«
»Das ist nicht gegen Sie gerichtet, er mag überhaupt keine Männer«, erklärte Lark. Wieder tätschelte sie Tup, der die Ohren erneut neugierig zur Seite klappte. Sie starrte ihn an und fragte sich, was das zu bedeuten hatte.
Der Besucher hob den Kopf und ließ den Blick über das Wohnhaus, die Scheune, die nördliche Weide und an Lark vorbei bis zur südlichen Weide schweifen. »Sind Sie hier ganz allein?«, erkundigte er sich.
Lark zögerte einen Herzschlag lang. »Mein Bruder und seine sechs Helfer sind gleich dort drüben«, antwortete sie dann hastig. Sie nickte in Richtung der südlichen Weide. »Sie säen Blutrüben. Ich erwarte sie bald zum Essen.«
Er legte den Kopf schief und sah sie hochmütig an. »Und wie heißen Sie, junge Dame?«
»Ich bin Larkyn Hammloh.« Sie nahm
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