Schule der Lüfte wolkenreiter1
»Lassen Sie gefälligst Hammloh in Ruhe, bei Kallas Zähnen!«
»Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, Morgen«, rief Petra. »Ich bin schließlich ihre Tutorin! Ihr Benehmen fällt auf mich zurück.«
Lark trat an das Gatter. Hesters Stall lag ein Stück den Gang hinunter. Sie bürstete die Mähne eines großen, kräftig wirkenden Palominos. Sie winkte Lark über die Schulter hinweg zu und rief: »Es ist eher Ihr eigenes Benehmen, das auf Sie zurückfällt, Süß. Sie sollten lieber darauf achten!«
Petra zischte empört eine Antwort, und Lark wandte sich wieder Tup zu. Seit Broh sie allein im Hof der Akademie zurückgelassen hatte, hatte sie sich nicht mehr so unbeschwert gefühlt.
Ein paar Minuten später kam Hester zu ihr, lehnte sich
gegen das Gatter und sah zu, wie sie Tup striegelte. »Er ist hübsch, nicht? Schwarz wie die Nacht.«
Lark lächelte ihre neue, große Freundin an. »Ja, ich finde, er ist vollkommen«, vertraute sie ihr an. »Obwohl mir alle unentwegt sagen, dass er zu klein sei.«
Hester betrachtete Tup mit zusammengekniffenen Augen. »Ja. Meine Stute ist bereits doppelt so groß wie dein Fohlen. Ihr Widerrist reicht schon bis zu meinem Kopf. Allerdings ist sie sechs Monate älter. Und …« Hester zuckte mit den Schultern und breitete die Hände aus. »Sie ist eine Kämpferstute. Ich fliege irgendwann bei den Grenzpatrouillen, das ist mal sicher.« Sie sah an sich herunter und lachte schallend. »Allerdings bin ich auch wie dafür gemacht. Schließlich bin ich fast doppelt so groß wie du!«
»Nicht ganz«, widersprach Lark. Sie beobachtete, wie sich Tups Fell unter ihrem Striegel fast in Seide verwandelte. Seine Mähne war gewachsen und glitt wie schwarzes Wasser durch ihre Finger. Sie hatte seinen Schwanz perfekt gebürstet, und sein schwarzer Stirnschopf schimmerte. Wenn sie doch nur ihre eigenen Haare auch so gut in den Griff bekäme!
Molly hatte ihre Abreibung unter dem Striegel ebenfalls genossen, und ihr heller Sommerpelz glänzte. Lark legte die Striegelbürste ins Regal zurück und wandte sich an Hester. »Du bist ein ganzes Stück größer als ich, aber längst nicht doppelt so groß! Meine Brüder sagen immer, ich wäre nicht größer als eine Bobbin. Du dagegen bist richtig schön groß.«
»Ich mag die Art, wie du sprichst«, sagte Hester. »Ich habe noch nie jemand aus dem Hochland kennengelernt.« Sie öffnete Lark das Gatter der Box. »Erzähl mir von der süßen kleinen Ziege. Wie heißt sie?«
Sie plauderten, als sie den Hof überquerten und zusammen zum Vorraum des Schlafsaals gingen. Alles roch wundervoll nach Pferden und Stroh. Die Mädchen wechselten die Reitkleidung, wuschen Hände und Gesicht an den Waschbecken am Ende des langen Raumes und bürsteten sich. Lark stand neben ihrem Bett und kämpfte wie bereits die letzten drei Tage mit ihren Haaren. Es wollte ihr einfach nicht gelingen, sie zu einem ordentlichen Knoten zu drehen. Sie hatte bereits ein Dutzend Nadeln verbogen, doch irgendwie schien es nichts zu geben, womit sie ihren lockigen Wuschelkopf in den Griff bekommen hätte. Verzweifelt warf sie die Bürste auf das Bett.
Hester bemerkte es, beugte sich zu ihr und flüsterte: »Wir sollten dir andere Haarklemmen besorgen. Es gibt in der Stadt Hunderte von Läden, die sie anbieten.«
»Die Stadt? Oh! Ich bin noch nie in Oscham gewesen.«
»Gut!« Hester klang, als wäre die Angelegenheit damit entschieden. »Wir fahren hin. Ich spreche mit meiner Mutter.«
»Ist das denn erlaubt?«
»Wenn Mutter es sagt, dann schon.« Hester grinste. »Außerdem nehmen wir Anabel mit. Sie geht für ihr Leben gern einkaufen.«
Lark zögerte. »Hester … ich … ich habe eigentlich so gut wie kein Geld. Nur ein paar kleine Münzen, die mein Bruder mir zugesteckt hat.«
Hester kicherte. »Ach was, das kriegen wir schon hin, Hammloh«, erklärte sie. »Wir sind schließlich Mädchen von der Akademie. Wir genießen gewisse Privilegien!«
Kapitel 12
P hilippa führte ihre Schülerinnen zunächst in leichtem Galopp über die Flugkoppel, dann zog sie das Tempo an, und Soni erhob sich mit einigen kraftvollen Flügelschlägen sicher in die Lüfte. Philippa spürte die unbeschreibliche Schwerelosigkeit des Fliegens in ihrem ganzen Körper, zunächst in der Wirbelsäule, dann auch in den Armen und Schenkeln. Hoch oben am strahlend blauen Himmel zogen ein paar Wolken vorbei, und sie fühlte, wie die Sonne in ihrem Nacken brannte. Zwar sorgte der Flugwind für
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