Schule der Lüfte wolkenreiter1
Tier in allem nachgeahmt, hatte die Flügel ausgebreitet und sich instinktiv dem Rhythmus des Leittiers angepasst. Wie ein junger Vogel hatte sie von der Flugkoppel abgehoben, war ein wenig getaumelt, war etwas abgesunken, dann wieder aufgestiegen, bis sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Rasch hatte sie die Bedeutung des Windes über und unter ihren Flügeln entdeckt und auch die unglaubliche Kraft der Flugmuskeln, die auf ihrer Brust hervortraten.
Philippa hatte am Boden gestanden, kaum geatmet und vor Anspannung ihre Ellbogen umklammert. Ihr schien es, als
wäre Soni erst nach einer Stunde zurückgekommen, dabei waren es nur wenige Minuten gewesen. Jährlinge begannen mit kürzeren Flügen und wagten sich dann mit jedem Flug an größere Strecken, bis zum ersten Mal der Flugsattel und später dann Sandsäcke als Ballast aufgelegt wurden, um die Flügel auszubilden und die Ausdauer zu stärken.
Philippa warf einen Blick über die Schulter. Sie konnte die Mansardendächer der Stallungen erkennen, aber die Morgensonne blendete sie. Sie blinzelte, als sie versuchte, einen Blick auf die Jährlinge zu erhaschen, die vielleicht gerade aufstiegen. Hesters Goldener Morgen würde als Erste fliegen, denn die Stute war die zuverlässigste von allen Jährlingen. Obwohl sie ein Kämpfer war, erinnerte sie Philippa an Wintersonne in jenem Alter. Sie war ausdauernd und ruhig, stark und selbstbewusst. Nach Goldener Morgen würde Kleine Prinzessin kommen, ein Nobelfohlen, dann Schwarzer Junge, noch ein Kämpfer, die beiden Boten Zarter Frühling und Meermaid und zum Schluss Isobel Burleihs Wolkenherz, ein wildes Hengstfohlen, das wiederum zur Gattung der Noblen gehörte. Eduard spekulierte darauf, dass Wolkenherz eines Tages wunderbare Fohlen zeugen würde, aber wenn die Mädchen erst anfangen würden, auf ihren Pferden zu fliegen, würde Isobel alle Hände voll zu tun haben, um Wolkenherz zu bändigen.
Philippa richtete den Blick wieder nach vorn, wo die von der Sonne verdorrten Hügel des Hochlands ihr den Weg wiesen. Vielleicht fand sie heute ja etwas heraus, das ihnen half, über die Zukunft von Larkyns Fohlen zu entscheiden.
»Sie hätte auf mich warten sollen.«
Lark erkannte Eduard Krisps krächzende Stimme. Sie hatte gerade eine Ladung Mist vom Boden in Tups Stall aufgegabelt
und hielt jetzt mit der Heugabel über der Schubkarre wie erstarrt inne. Meister Krisp kam mit der Leiterin den Gang hinunter, und Lark war klar, dass er von Meisterin Winter sprach. Offenbar hatte man ihn darüber informiert, dass im Hochland ein Sattel aufgetaucht war.
Hastig stellte sie die Heugabel beiseite und trat vom Eingang weg tiefer in die Stallbox. Leiterin Morghen sagte: »Und jetzt auf einmal können Sie plötzlich fliegen, Eduard?« Lark hob erstaunt die Brauen, als sie die Schärfe in der Stimme der Leiterin bemerkte.
»Kein Grund, sarkastisch zu werden, Margret«, antwortete Meister Krisp. »Ich habe das alles wirklich satt.«
Sie kamen näher. Lark schnappte sich den Striegel und duckte sich hinter ihr Fohlen. Sie tat, als wäre sie vollkommen damit beschäftigt, einen Knoten aus seinem Schwanz zu entfernen.
»Es ist uns nicht gelungen, die Abstammung des Fohlens zurückzuverfolgen«, meinte Leiterin Morghen. »Aber die Schuld dafür können Sie nicht vor meiner oder vor Philippas Tür abladen. Und Sie brauchen Sie auch nicht bei sich zu suchen. Wir hatten das Gefühl, dass Eile geboten ist, weil der Sattel verkauft werden könnte. Möglicherweise ist er schon verschwunden.«
»Selbst wenn sie ihn findet, hat das noch nichts zu bedeuten.«
Lark hörte die Ungeduld in Margret Morghens Stimme, als sie antwortete. »Meister Hammloh fand den Fund immerhin so ungewöhnlich, dass er sich trotz der Ernte die Zeit genommen hat, den weiten Weg mit seinem Ochsenkarren hierherzukommen.«
»Bei Kallas Zähnen, er ist ein Bauer! Was weiß der schon, was ungewöhnlich ist und was nicht?«
»Ich fürchte, Eduard«, erwiderte Margret steif, »wenn Sie Ihre Vorurteile nicht ein wenig abbauen, werden wir niemals herausfinden, wer die Eltern des Fohlens sind!«
Lark richtete sich auf und sah die beiden über Tups Rücken hinweg an. Bei ihrem Anblick hob die Leiterin erstaunt die Brauen. »Haben Sie nicht eigentlich eine Reitstunde, Larkyn?«
»Ja, Leiterin. In einer halben Stunde.« Lark hätte beinahe einen Knicks gemacht, fing sich aber gerade noch rechtzeitig. Meisterin Stark und Meisterin Wolke hatten ihr sehr deutlich
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