Schule der Lüfte wolkenreiter1
»Welche andere, Meisterin?«, fragte sie.
»Ach, dieses andere Mädchen aus Oscham! Jedenfalls …« Die Frau legte den Kopf auf die Seite, und ihre kleinen schwarzen Augen leuchteten wie bei einem Vogel. »Zumindest bin ich mir ziemlich sicher, dass sie aus Oscham war. Wissen kann ich es nicht. Sie sagte kein Wort.«
»Was sollte ein Mädchen aus Oscham in Clellum wollen?«
»Ich habe ihr ein Mittel gegeben, ein gutes Mittel«, erklärte die Frau, als hätte sie nichts gehört. Dann zog sie ratlos die grauen Brauen zusammen. »Doch es hat nicht funktioniert. Oder aber sie hat es gar nicht genommen. Na, nein, nein, egal, ist egal.« Sie zuckte mit den Schultern und grinste wieder. »Wo ist Ihr Pferd, Kindchen? Die alte Dorsa würde gern einmal einen Blick auf das geflügelte Pferd werfen!«
»Er steht über Nacht im Stall.« Lark lief ein kalter Schauer über den Rücken, und sie nahm gedankenverloren einen Schluck von dem Wein. Er war abgekühlt und schmeckte widerlich süß. Nikh kam mit Peonie im Schlepptau angewankt, nahm ihr den Becher ab und rief etwas, das sie nicht verstand. Broh drehte sich zu ihr und fragte, ob sie etwas wolle. Als sie ihm geantwortet und Nikh auf Edmars ungeschickten, aber bemühten Tanz aufmerksam gemacht hatte, war die Frau verschwunden. Langsam kletterte Lark wieder hoch auf den Zaun und beobachtete die Feiernden. Doch den ganzen, lauten Abend hindurch ärgerte sie sich über die unsinnigen Worte der alten Zauberin. Was für eine alberne Frau, dachte sie. »Sag niemals nie« war ein so dummes Sprichwort.
»Sie wollen dich Schwarz nennen?«, erkundigte sich Broh und starrte Lark über den Frühstückstisch hinweg an. »Larkyn Schwarz?«
Peonie war früh gekommen, hatte ein reichhaltiges Frühstück zubereitet und Lark schlichtweg verboten, ihr zu helfen. Lark saß am einen Ende des Tisches, als wäre sie nur ein Gast. Sie war bockig und enttäuscht.
»Bleib bei Hammloh.« Die Äußerung kam von Edmar, der nicht vom Teller hochsah, als er sprach.
»Das würde ich ja gern«, erklärte ihm Lark, »aber Pferdemeisterinnen bekommen ihren Nachnamen von dem Namen ihres Pferdes … und Tup heißt jetzt offiziell Schwarzer Seraph.«
»Oh, das ist aber schön!«, rief Peonie. »Das gefällt mir! Gefällt es dir denn nicht, Lark?«
»Ich weiß noch nicht. Ich bin es einfach gewohnt, ihn Tup zu rufen.«
Broh lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. »Nur weil sie Schwarzer Seraph in ihr Buch schreiben, musst du den Namen ja nicht gebrauchen«, sagte er.
»Du weißt von dem Buch? Das auf dem Schreibtisch der Leiterin liegt?«, erkundigte sie sich erstaunt.
»Ich habe es gesehen, als ich da war, um ihnen von dem Sattel zu berichten«, entgegnete er.
»Und das war in der Tat sehr wirkungsvoll, nicht wahr, Broh?«, meinte Nikh mit gutmütigem Spott. »Du bist mitten in der Ernte den weiten Weg dorthin gefahren, aber niemand hat irgendwas unternommen! Sie wissen immer noch nicht, wo Char herkam.«
»Ich wünschte, man würde endlich damit aufhören. Tup ist Tup, und er ist das beste Fohlen der Akademie. Welchen Unterschied macht das schon?«
Broh griff nach Messer und Gabel. »Es spielt eine große Rolle, Lark. Weil Oc eine große Rolle für uns spielt«, erklärte er.
»Ich verstehe immer noch nicht …«
Es überraschte sie, dass Nikh sich Brohs Meinung anschloss. »Hör zu, kleine Schwester. Wir reden uns hier oben im Hochland vielleicht gern ein, dass wir unabhängig wären, aber das sind wir nicht. Wir meckern über den
Zehnt-Eintreiber des Fürsten und rümpfen über die überhebliche Art in der Weißen Stadt die Nase, aber wir brauchen sie genauso sehr, wie sie uns brauchen. Isamar beschützt Oc zum Großteil wegen der geflügelten Pferde. Wenn das nicht so wäre, würden viele Königreiche, wie Klee zum Beispiel, nicht länger zögern, im Osten oder in Marin einzufallen und sich Oc anzueignen!«
»Es geht um Macht«, setzte Broh hinzu. »Und Oc selbst besitzt kläglich wenig davon. Der alte Fürst weiß, was er tut. Und er und der Rat der Edlen sind einer Meinung, obwohl sie uns mit sehr hohen Steuern belasten.«
Lark starrte ihre Brüder verwundert an. Sie hatte sie noch nie in ihrem ganzen Leben über Politik reden hören oder überhaupt mitbekommen, dass sie etwas diskutiert hatten, das außerhalb der kleinen Welt des Unteren Hofes oder Willakhieps lag oder über die seltenen Neuigkeiten hinausging, die aus Park Dikkers bis zu ihnen
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