Schule der Lüfte wolkenreiter1
der Halfterleine und verlagerte ihr Gewicht nach hinten. »Brr, Tup. Ich steige jetzt ab. Das hier bleibt unser Geheimnis.«
Gehorsam verlangsamte er seinen Schritt und hielt schließlich an. Lark rutschte von seinem Rücken und warf die Arme um seinen Hals. »Du bist ein braver Junge, Tup!« In offensichtlicher Zustimmung blies er die Nüstern auf, und sie ließ ihn lachend los. So gut sie konnte, klopfte sie ihren Rock ab, bevor sie weiter die Straße hinunterliefen. Als sie in den Weg einbogen, gingen sie brav nebeneinander her. Zumindest wirkte Tup ganz ruhig.
Kurz vor dem Hof trafen sie auf den Ochsenkarren.
»Lark!«, rief Nikh. »Entweder warst du nur sehr kurz bei Meisterin Wolke, oder du läufst schneller, als ich es jemals könnte.«
Lark lachte und zuckte mit den Schultern, als sie neben ihrem Bruder auf den Bock kletterte. Tup wieherte dem Ochsen zu und peitschte, wie Lark es schien, mit deut lichem Stolz die Luft mit seinem Schweif, bevor er neben dem Karren in einen ruhigen Schritt fiel.
Nikh musterte ihn. »Dein Fohlen hat sich ja offenbar etwas beruhigt.«
Lark errötete und zögerte einen Augenblick. Sie würde ihren Bruder niemals anlügen, sie wollte aber auch nicht gescholten werden. Schließlich war sie in den vergangenen Wochen genug gescholten worden!
»Oh, ja«, sagte sie nur. »Er hat ein bisschen Zeit mit dem geflügelten Pferd von Meisterin Wolke verbracht.«
Nikh ließ die Brauen tanzen, verzichtete jedoch auf jeden weiteren Kommentar.
Kapitel 23
A ls der Hammloh’sche Ochsenkarren auf den mit Kopf steinen gepflasterten Dorfplatz fuhr und zwischen den anderen anhielt, tanzten bereits in allen Fenstern von Willakhiep die Kerzen. Das Lagerfeuer loderte, und überall blakten Fackeln und vertrieben die eiskalte Finsternis, die für die Erdlin-Zeit typisch war. Bauern und Dorfbewohner, die sich auf dem Platz versammelt hatten, waren in dicke Wollkleidung gemummelt und hatten die reich bestickten Mützen tief über die Ohren gezogen. Unter den Mützen lugten die Zöpfe der Frauen hervor, in die sie bunte Bänder und Efeuzweige geflochten hatten. Die Männer hatten sich ordentlich geschrubbt und rasiert. Die Türen der beiden Tavernen standen offen, und ein unablässiger Strom von Feiernden drängte mit Krügen und Bechern in den Händen hinein und wieder heraus. Aus beiden Türen drang Musik, deren Melodien sich in der Mitte des Platzes mischten.
Lark kletterte von dem Karren und folgte Broh, der sich einen Weg durch die Menge zum Lagerfeuer bahnte. Nikh und Edmar eilten zur nächstgelegenen Taverne und lachten über die Schulter ihrem ruhigen Bruder zu. Einige Dorfbewohner grüßten Broh, wenn er an ihnen vorbeikam, und bedachten Lark mit einem Nicken. Sie erinnerte sich an jedes Gesicht und jeden Namen, doch seit ihr Schicksal einen anderen Lauf genommen hatte, waren sie schüchtern
geworden. Selbst die Mädchen, die sie noch aus dem Schulunterricht kannte, wahrten respektvollen Abstand. Petal, die nur wenige Monate älter war als Lark, trug bereits ein Baby auf der Hüfte. Auch sie hob schüchtern eine Hand zum Gruß und wandte sich dann einer anderen Gruppe zu. Nur Peonie eilte ohne zu zögern auf Lark zu und rief: »Lark! Broh! Endlich. Wo steckt denn Nikh?«
Lachend deutete Lark auf die offene Tavernentür, stellte sich mit dem Rücken zum warmen Feuer neben Broh und beobachtete die Gesichter der Menschen, die ihr seit ihrer Kindheit vertraut waren. Obwohl sie erst knapp sechs Monate fort war, schien es, als kenne sie kaum noch einer.
Auf einer kleinen freien Fläche zu ihrer Rechten tanzten einige Leute einen der für das Hochland typischen Ringtänze, warfen Arme und Beine hoch in die Luft und drehten sich mit fliegenden Röcken und Mänteln. Lark kletterte auf den Bretterzaun, der das riesige Lagerfeuer umgab, damit sie zusehen konnte. Dann begannen alle zu singen. Lark erinnerte sich an die Worte des alten Liedes und stimmte mit ein:
Die Hand geht auf
Sie entlässt das Jahr
Tanze mit deinem Liebling
Erdlin ist da.
Die Faust des Winters wird sich früh genug schließen
Und der Frühling schnell und stürmisch folgen,
Der Sommer ist kurz, der Herbst ist lang,
Doch jetzt singen wir noch einmal das Lied von Erdlin.
Der Tanz endete in allgemeiner Heiterkeit, und als das Lied verstummt war, schlug die wetteifernde Musik aus den Tavernen
über den Feiernden zusammen. Es war alles sehr vertraut, und Lark, deren Rücken nun schön warm vom Lagerfeuer war, zog ihren
Weitere Kostenlose Bücher