Schule der Lüfte wolkenreiter1
Nachwuchslehrerin oder interessiert sich auch nur für sie.«
»Das ist nicht gerecht«, widersprach Philippa.
»Gerecht«, antwortete Irina mit ihrer seltsam mono tonen Stimme. »Nichts, was mir widerfahren ist, ist gerecht.«
Philippa seufzte im Stillen und unterdrückte den Wunsch, dass Irina sich mit ihrer schlechten Laune sonst wohin scheren möge. »Was meinst du damit?«
Irina starrte wieder in die Flammen und schwieg so lange, dass Philippa schon hoffte, sie würde das Thema fallen lassen.
Doch dann holte die andere Frau tief und geräuschvoll Luft. »Das Geschäft meines Vaters ist vernichtet worden«, erklärte Irina. »Ich habe an der Grenze gedient und täglich Erkundungsflüge über der Meeresenge geflogen.« Als sie den Kopf hob, erschrak Philippa über die Verbitterung auf ihrem Gesicht. »Ihr Boten habt keine Ahnung davon, oder? Ihr mit euren Prozessionen, euren schicken Vorführungen und Spielen.«
»Das solltest du eigentlich besser wissen, Irina«, entgegnete Philippa scharf.
»An den Grenzen geht es hart zu«, fuhr Irina fort. »Wir sind beinahe jede Woche auf den Feind getroffen.«
»Aber du hast keine Ahnung von der Art Dienst, den Soni und ich geleistet haben.«
»Ich weiß, dass Soni ein Bote ist und meine Starke Lady ein Kämpfer. Der Prinz bittet nur um Kämpfer, wenn Gefahr in Verzug ist. Niemand will einen Kämpfer für irgend welche Vorführungen oder Ausstellungen haben.«
Philippa schnaubte. »Wie albern, deshalb verbittert zu sein! Du klingst wie eine Erstklässlerin, die sich über ihre Aufgaben beklagt. Du bist doch viel zu alt für so einen Blödsinn.«
»Was weißt du denn schon? Eines Tages wirst du Leiterin werden, und ich werde immer noch Erstklässlerinnen zeigen, wie man die Richtung wechselt und Hufe auskratzt.« Irina kehrte ihr den Rücken zu, stolzierte zum Fenster, setzte sich dort auf den Sessel und blickte hinaus auf den verschneiten Hof. Die Dunkelheit hatte sich über die Akademie gesenkt, und über dem Stalldach leuchtete ein blasser, silberner Mond.
Philippa hatte sich nicht gerührt und starrte auf den breiten Rücken der anderen Frau. Sie hatte keine Ahnung, was
sie sagen sollte oder ob sie überhaupt etwas sagen sollte. Margret wüsste sicherlich, was zu tun war, aber …
»Hör zu, Irina.« Sie schritt durch den Raum und blieb neben Irina stehen. »Vor vierzehn Jahren waren Soni und ich im Südturm von Isamar, als wir angegriffen wurden. Wir flogen neben Alana, als Sommerrose von einem Pfeil getroffen wurde. Es war ein riesiges, dickes, widerliches Ding, wie die Klinge eines Messers, und sie hatten überhaupt keine Chance. Es hätte genauso gut Soni oder mich treffen können. In vielen Nächten habe ich mir gewünscht, ich wäre es gewesen, doch das liegt in Kallas Hand, nicht in unserer – ebenso wie die Entscheidung, ob wir an einen Kämpfer oder an einen Boten gebunden werden.«
Irina stieß lautstark die Luft aus. Für Philippa klang es nach Abscheu.
»Ja«, sagte Philippa ganz ruhig. »Ich glaube, dass wir uns entscheiden können, zufrieden zu sein. Wenn du lieber unglücklich sein möchtest, ist das deine Sache. Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich mich freuen, dass mein Pferd und ich den Grenzdienst überlebt haben.«
»Ich kann mir nur wünschen«, erwiderte Irina dumpf, »dass meine Familie dem Fürsten so nah stünde wie deine. Dass ich gleich zur Seniorlehrerin ernannt werden würde, so wie du. Jeder weiß, dass dein Bruder und Fürst Friedrich …«
»Das genügt!«, zischte Philippa. »Mit Selbstmitleid wirst du nichts gewinnen, Irina. Wenn dir deine Stellung hier nicht gefällt, dann bitte doch um deine Versetzung.«
Irina drehte sich im Sessel herum und starrte mit zu sammengekniffenen Augen zu Philippa hoch. »Warte nur ab, Philippa«, sagte sie leise. »Warte nur, bis der Fürst stirbt. Wir werden ja sehen, was dann geschieht.«
Zwei Tage später brachen Philippa und Soni vor dem morgendlichen Unterricht mit einem aufgeregten Tup zu einem Flug auf. Die Luft war eiskalt, der Himmel klar und fahlblau. Larkyn stand, eingerahmt von Beere und Molly, auf der Koppel und sah aufgeregt zu. Philippa gab dem Fohlen zehn Minuten mehr Zeit und beobachtete die Kraft seiner Flügelschläge, die Leichtigkeit, mit der er Sonis Flugformationen folgte. Versuchsweise ließ sie Soni eine Große Wende fliegen; Tup war nur kurz verwirrt, neigte dann einen Flügel nach links und folgte ihr. Philippa blickte über ihre Schulter zu ihm und
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