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Schule für höhere Töchter

Schule für höhere Töchter

Titel: Schule für höhere Töchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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dem aktiven Dienst entziehen, hat es immer gegeben und wird es immer geben, aber obwohl ich der Sache auch nicht unter historischen Gesichtspunkten nachgegangen bin, habe ich doch den Eindruck, daß diese Situation entstanden ist, weil gerade dieser Krieg inzwischen so unpopulär geworden ist; und in New York ist er noch unbeliebter als anderswo, wie uns unser Vizepräsident immer wieder sagte. Und glaube nur nicht, ich hätte schon alle Tricks, der Einberufung zu entgehen, genannt. Ich habe nämlich kaum angefangen.«
    »Wenn das so ist, wo liegt dann für Jack das Problem? Kann er sich keine Zahnspange verschreiben lassen? Immerhin hat er ja schon Asthma, das hat er uns erzählt.«
    »Aber er ist jung und voller Prinzipien, für die er zu leiden bereit ist; eine stets peinliche Einstellung, aber ich glaube, ich habe ihn überreden können, in Harvard zu leiden. Das Problem ist folgendes: Wenn er sich als Kriegsdienstverweigerer registrieren läßt, kommt es zum Anerkennungsverfahren, und das ist langwierig, kostspielig und wird wohl kaum von seinem reichen Papa bezahlt werden, obwohl das nach Jacks hehren Vorstellungen der einzig ehrenhafte Weg ist. Letztendlich muß man sich, meiner Meinung nach, der Frage stellen, ob ein Wehrpflichtiger das Recht hat, Unterschiede zwischen den Kriegen zu machen – eine der heikelsten Fragen, die ich mir vorstellen kann. Entschuldige, wenn ich das so sage, aber ich finde, dein Bruder handhabt diese Angelegenheit höchst ungeschickt. Zwar bleibt er aus seiner Sicht aufrichtig, das muß man ihm lassen, und dasselbe gilt für seinen Sohn. Ich wäre eher geneigt, dem Jungen durch das Netz zu helfen und mit dem Vater im Prinzip einer Meinung zu sein, aber unglücklicherweise habe ich schon immer zu den bequemeren Lösungen tendiert.«
    »Unsinn. Wenn das der Fall wäre, hättest du mich nie geheiratet. Es ist mir klar, warum das Theban so unter Druck ist – ja, eigentlich alle Schulen. Die Schüler möchten in ihnen die Vorreiter sozialen Fortschritts sehen, und Eltern und Lehrer betrachten es als ihre Pflicht, die Nachhut zu verteidigen. Ein verdammter Zwiespalt, und ich kann den Standpunkt der Schüler verstehen; aber, wie Dorothy Sayers irgendwann gesagt hat, alle Heldentaten werden von der Nachhut ausgefochten, in Roncevaux und an den Thermopylen.«
    »Schriftsteller lieben Nachhutgefechte – die sind so schön eindeutig und tragisch. Im Leben dagegen, vermute ich, werden die entscheidenden Dinge, auch wenn sie nie zu Heldentaten werden, ganz am Anfang entschieden, bevor irgend jemand weiß, worum es bei dem Kampf eigentlich geht.«
    »Du hast ja recht, verdammt noch mal. Wenn ich die heldenhaften Kämpfe liebe, was habe dann ich Nachhut mit der jugendlichen Vorhut im selben Seminarraum zu suchen? Kannst du mir das erklären?«
    »Was du jetzt brauchst, ist dein Bett.«
    »Nicht so kurz nach dem Dinner, wie die Lady in ›Private Lives‹ sagt«, gab Kate zur Antwort und wirkte zum ersten Mal an diesem Abend zufrieden mit sich selbst.
    Am Montag saß Kate mit der Ruhe, die der Profi in der eigenen Arena empfindet, egal wie ängstlich er auch zuvor gewesen sein mag, am Kopfende des Tisches im Seminarraum, die Schülerinnen waren zu beiden Seiten aufgereiht – wie ein König, der mit seinem Regiment speist, dachte Kate. Das provozierende Gedicht war verschwunden.
    »Was ist aus dem Gedicht an der Wand geworden?« war Kates erste Frage. Obwohl sie damit »in medias res« ging, wie die Gebildeten empfehlen, ließ diese Bemerkung als Gesprächseröffnung einiges zu wünschen übrig.
    Die Mädchen sahen einander an, ohne den Kopf zu bewegen. Sie ließen nur auf höchst irritierende Weise die Augen hin und her wandern. »Wir hatten gehofft«, sagte eines der Mädchen, das offensichtlich daran gewöhnt war, für die Gruppe zu sprechen, »Sie hätten es nicht gesehen. Wir haben darüber nachgedacht und es abgenommen.«
    »Wie heißt du?« fragte Kate. »Damit könnten wir ja einmal anfangen. Ich lese die Liste vor, die man mir gegeben hat, und ihr meldet euch mit eurem Namen. O.K.?«
    »Ich bin Freemond Oliver«, sagte das Mädchen, das gesprochen hatte.
    »Aha«, sagte Kate mit, wie sie hoffte, gemessener Stimme. »Angelica Jablon?«
    »Hier.« Das Mädchen, das geantwortet hatte, besaß ein ausdrucksvolles Gesicht und dickes, lockiges Haar. Sie wirkte offen, ein wenig unzufrieden, unglücklich, unsicher und, wie Kate erfreut feststellte, nicht aggressiv. Engagierte Kämpferinnen für

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