Schule versagt
erledigen? Wie macht man ihnen klar, dass es funktional ist, das Erarbeitete aufzubewahren, vorzugsweise in einem Ordner, den man chronologisch oder nach Sachthemen ordnet? Wie verstehen sie, dass man immer vorbereitet zum Unterricht erscheinen sollte, auch wenn explizit keine Hausaufgaben gegeben wurden? Wie macht man plausibel, dass Verspätungen zu vermeiden sind? Wie werden sie dazu bereit sein, in ihrem eigenen Interesse nicht unentschuldigt zu fehlen? Wie lernen sie, dass man nach spätestens drei Fehltagen ein ärztliches Attest vorlegen muss?
Diese Fragen werden von Kollegen häufig mit einem einfachen Begriff beantwortet: Kontrolle. Kontrolle soll für all diese Fragen positive Antworten geben. Kontrolle des Ordners, Kontrolle der Hausaufgaben, Kontrolle des Lernstoffs, Kontrolle der Verspätungen, Kontrolle der schriftlichen Entschuldigungen und Atteste. Nicht alle kontrollieren alles, die meisten hin und wieder, unregelmäßig, aber es gibt auch Kollegen, die immer alles kontrollieren.Das ist eine immense Arbeit. Regelmäßig alle Hausaufgaben durchzusehen, vielleicht sogar zu benoten, regelmäßig den Lernstoff abzuprüfen, kostet zusätzliche Zeit. Klassenleiter wissen, wovon ich rede, weil sie die Fehlzeitenliste führen und alle Fehlstunden und -tage eintragen und auf dem Zeugnis vermerken müssen, wobei nach entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten zu differenzieren ist.
Hinzu kommt das Prozedere der Behandlung bzw. der Meldung des Vorfalls und eventuell der Klassenkonferenz, wenn ein Fall hartnäckigen Sich-Verspätens bzw. unentschuldigten Fehlens auftritt. Die Art des Umgangs mit solchen Problemen differiert von Schule zu Schule. Umgehen müssen jedoch alle Kollegien damit. Hinnehmen ist schon aus rechtlichen und vor allem aus pädagogischen Gründen nicht möglich. Hinnehmen würde bedeuten, die Verspätung, das unentschuldigte Fehlen, die ständige Leistungsunwilligkeit zu tolerieren. Es leuchtet ein, dass das nicht geht, wenn wir uns nicht selbst ad absurdum führen wollen. Also muss eine Lösung her. Es gibt keine allgemein verbindlichen Regelungen für solche Fälle. Deshalb sprechen Lehrer in Konferenzen über Sanktions- und Kontrollmechanismen, die das Problem rasch und nachhaltig lösen sollen. Die folgenden Beispiele sollen verdeutlichen, in welcher Weise diese Lösung herbeigeführt werden soll.
So langsam häuften sich in der Klasse die Verspätungen, sodass schnell und konsequent reagiert werden müsse, beklagte sich einer der Klassenleiter. In einer zeitnah angesetzten Konferenz wurde beschlossen, dass der jeweils verspätete Schüler bei der 1. Verspätung sofort – am besten außerhalb des Klassenraums – schriftlich zu seiner Verspätung Stellung nehmen müsse, und zwar zu folgenden Punkten:
Die Verspätung muss begründet werden. Der Schüler muss darlegen, was er zu tun gedenkt, um ein Verspäten aus gleichem Grund in Zukunft zu vermeiden. Er muss sich dazu äußern, welche Sanktionen er als angemessen empfindet, wenn er auch weiterhin aus demselben Grund fehlt. Bei der 2. Verspätung wird der Schüler (mit dem Verspätungszettel) sofort zum Klassenleiter geschickt. Ist dieser nicht in seinem Raum anzutreffen, muss der Schüler ihn suchen. Bei der 3. Verspätung soll der Schüler den Schulleiter aufsuchen.Kommt es zur 4. Verspätung, wird eine Klassenkonferenz einberufen.
Die ungeklärte Frage: »Wer bewahrt den Verspätungszettel auf?« wurde nachträglich wie folgt entschieden: Jeder Kollege bewahrt den Verspätungszettel zu seinem Unterricht selbst auf. Bei der 2. Verspätung wird der Schüler mit dem Verspätungszettel zum Klassenleiter geschickt. Die Begründung für die Regelung lautete: So könne dieser den Schüler immer mit den Aussagen des Verspätungszettels konfrontieren und werde zudem stets auf dem aktuellen Kenntnisstand gehalten. Die Initiatoren waren der Ansicht, dass dieses Prozedere in puncto Zeitnähe und Wirksamkeit unschlagbar sei. Die nun noch verbleibende Frage, wo der Verspätungszettel endgültig verbleiben solle, wurde nicht geklärt. Später landeten einige dieser Zettel tatsächlich beim Klassenleiter, wo sie auch verblieben. Soviel zu einem einzigen Punkt der Fragenliste am Anfang dieses Kapitels. Aber auch andere Probleme wurden dergestalt in Angriff genommen. Die komplizierte Fehlzeitenregelung wurde exakt, ausführlich und anschaulich anhand von Beispielen niedergeschrieben. Auf drei DIN-A 4-Seiten schilderte der
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