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Schule versagt

Schule versagt

Titel: Schule versagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Faltin , Daniel Faltin
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Unterstützung von seiner Seite verspielt. Er zeigte sich nachtragend. Zudem verstärkte sich der ohnehin schon vorhandene Neid einiger Kolleginnen, die ihn haben wollten, er aber nicht sie, noch mehr. Das war keine schöne Zeit für mich in dieser Schule.
    Das Lieblingsthema und Hauptarbeitsfeld unseres Direktors war das Schulrecht. Nachdem sich Herr R. zunächst sehr positiv über meine Skills geäußert hatte, also die Qualität des Unterrichts, die Einsatzbereitschaft, das große Engagement und die hohe Belastbarkeit, und dies auch in einer Beurteilung schriftlich niedergelegt hatte, stand nun eine Einstellungslehrprobe an. Ich gab eine Stunde Politische Wissenschaft, an der er, als Fachfremder in Bezug auf die Inhalte nicht gerade versiert, großen Gefallen fand und meine Leistung »zwischen Eins und Zwei« einordnete.
    »Toll!«, sagte Sarah anerkennend, »dann war’s das ja wohl für dich: Du bekommst einen unbefristeten Vertrag.« »Nein«, erwiderte ich, »noch nicht. Erst muss ich mich noch im Fach Schulrecht prüfen lassen.«»Wieso?«, fragte sie, »Du willst doch keine Funktionsstelle 3 übernehmen.« »Unser neuer Direktor prüft jeden Kollegen im Fach Schulrecht«, klärte ich sie auf, »und die Beurteilung der diesbezüglichen Kenntnisse geht in die Gesamtbeurteilung ein.« »Das gab es zu meiner Zeit noch nicht einmal für Aufstiege«, sagte sie. »Ich selbst bin Fachleiterin geworden, ohne jemals Schulrechtskenntnisse irgendwelcher Art nachgewiesen zu haben.« »Herr R. ist der Meinung, dass diese Kenntnisse das Wichtigste seien«, gestand ich resignierend. »Es ist, wie es ist.«»Und es ist Blödsinn!«, rief Sarah, »was man braucht, schlägt man nach. Es reicht, wenn man weiß, wo. Und außerdem ist das die Aufgabe der Leitungsebene.«
    Sie hatte selbstverständlich recht. Während meiner Zeit in der Schule habe ich nicht ein einziges Mal schulrechtliche Normen anwenden müssen. Ich löste kritische Fälle pädagogisch und im Vorfeld. Wäre es nötig gewesen, vom Schulrecht Gebrauch zu machen, hätte ich nachgelesen und mich mit meinen Vorgesetzten besprochen. »Ja, ja   …«, sagte R. einmal dazu, »Sie sind eine von denen, die das nicht brauchen.« Es klang halb neidisch. Mir kam es so vor, als trage er das Schulrecht wie einen Schild vor seiner Brust mit sich herum, um Angriffe jederzeit abwehren zu können. Vielleicht war es auch mehr als das. Ich erinnere mich an einen Freud’schen Versprecher von R., als er sagte, man müsse den Schülern jederzeit ins Gesicht treten können. Gemeint hatte er selbstverständlich, man müsse ihnen ins Gesicht sehen können.
    Die Schulrechtsprüfung verlief holperig, aber nicht hoffnungslos. Ich hatte ein paar der geforderten Normen auswendig gelernt und betete sie, so gut es ging, herunter. Am Ende war ich wütend über so viel unnütz vertane Zeit, über R.s endlose Ausführungen zu diesem und jenem Paragrafen und über seine zunehmende Arroganz, denn die Prüfung fiel schon in die Zeit, in der er merkte, dass ich ihn nicht bedingungslos bewunderte. Als ich das zum Ausdruck brachte, indem ich die Prüfung als lästig und die Schulrechtspaukerei als »dummes Zeug« deklarierte, rastete er aus. Von da an war die Sache zwischen mir und ihm gelaufen, und ich war froh, einen netten Fachbereichsleiter als Pufferzone zwischen mir und R. zu haben. Auf diese Weise konnte ich dort überleben. R. entschied sich übrigens später für eine Dame aus dem Kollegium, mit der er eine feste Beziehung einging. Von da an ließ er mich in Ruhe, förderte mich aber im Gegensatz zu Kollegen, die ihn hofierten, auch nicht. Mein Fach blieb leer, wenn andere gefüllt waren, egal ob es um interessante Veranstaltungen, Einladungen oder fachliche Informationen ging. 4
    Natürlich bekam ich auch die Eins nicht. Das interessierte mich nicht weiter. Schlimmer war eine andere Folge des Konflikts: R. schrieb ein Schlechtachten und inszenierte dessen Präsentation in für mich sehr unangenehmer Weise. Er bestellte mich ein, botmir einen Platz ihm gegenüber an seinem Schreibtisch an, legte seine Beurteilung vor mich hin und nickte freundlich-auffordernd mit dem Kopf. Zu meinem Glück erwartete ich nichts Gutes mehr von ihm, andernfalls wäre mir wohl tatsächlich das passiert, was er mich nach einigen Minuten des Schweigens fragte: »Ist Ihnen schlecht?« Die paar Minuten hatte er verstreichen lassen müssen, weil der erste Teil der Beurteilung im Wesentlichen den Tatsachen entsprach.

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