Schule versagt
arbeiten: Im Team die optimale Lösung finden.
Faire Arbeitsaufteilung unter Berücksichtigung der Stärken und Schwächen der Einzelnen.
Bei der Abschlussbesprechung hatte Hans zu mir gesagt, ich sei zu allen Schülern außerordentlich freundlich gewesen. Solche Bemerkungen hatte ich schon öfter gehört. Selbst mein P W-Semi narleiter hatte, wenn er auch nichts Gutes an meinem Unterricht fand, einmal gesagt: »Sie sind nett und freundlich, dabei souverän und sicher, ruhig und gelassen.« Offenbar war das erwähnenswert, und genau das war es, was mich erstaunte. War es nicht selbstverständlich, dass Lehrer mit den ihnen anvertrauten Schülern freundlich umgingen? Aber schon mein Sohn hatte ja vom Gegenteil berichtet. Von in den Unterricht mitgebrachter schlechter Laune war da die Rede, von generell miesepetriger Stimmung, von Desinteresse und gespürter Ablehnung bis hin zur Bösartigkeit. Aus innerhalb der Learning-by-Doing-Woche später von uns durchgeführten Befragungen ergaben sich ähnliche Ergebnisse. »Schlechte Laune der Lehrer, die sie an den Schülern ausgelassen haben« war eines der häufigsten Statements, wenn danach gefragt wurde, was die Schüler an ihrer bisherigen Schule am meisten gestört habe. Das war für mich eine der einschneidendsten Erfahrungen in der Schule. Wie konnte man zusammenarbeiten in schlechter Atmosphäre? Manchmal brachten auch Schüler aus den unterschiedlichsten Gründen diese Stimmung in die Klasse hinein und man musste als Lehrer, ob man wollte oder nicht, damit umgehen. Dann war es Aufgabe und Anliegen, die jeweilige Motivation zu ergründen und, soweit das in der Schule möglich war, das Problem zu beheben. Das gelang nicht immer; es gab auch Fälle für den Psychologen oder gar den Psychiater. Aber als Lehrer von vornherein einen freundlichen und respektvollen Umgangmit den Schülern zu pflegen, gleichgültig, wie die persönliche Laune ist, gehört zum Beruf.
Am Ende der Woche waren wir alle müde. Einige von uns waren jeden Tag von 9 bis 15 Uhr präsent gewesen, hatten bereits vorher Vorbereitungen getroffen und nachher ein Auswertungsgespräch bezüglich des jeweiligen Tages geführt. Die Einschätzung der Schüler war sehr interessant und brachte uns noch einmal den notwendigen Kick am Nachmittag des letzten Tages: Das Kennenlernspiel wurde als absolut funktional empfunden. Überhaupt habe man sich nach Ablauf dieser einen Woche so gut kennengelernt wie beim bisher üblichen Unterricht nicht einmal innerhalb mehrerer Wochen.
Die Schulentdeckung hatte an einem einzigen Nachmittag die Schule bis in den letzten Winkel hinein bekannt gemacht. Noch Wochen später erklärten mir unsere Schüler lachend, dass die Neuankömmlinge der anderen Fachbereiche »nichts wissen«, weder über die Räumlichkeiten noch über Ausbildungsgänge, Ansprechpartner usw. Das waren praktische Kenntnisse, die ihnen Sicherheit gaben, mehr als es Erklärungen je vermocht hätten.
Als besonders positiv wurden die Vortrags- und Präsentationsübungen hervorgehoben. Die Schüler hatten vom ersten Tag an vorgetragen: Die Bildergeschichte am Montag, die Schulentdeckungsergebnisse am Dienstag, und am Freitag hatten sie ihre mit viel Fantasie und Know-how gebauten Gebäudekonstruktionen präsentiert.
Die damit verbundene Gruppenarbeit wurde ebenso positiv bewertet. Die Begründung war, dass der Informationsaustausch ungezwungener stattgefunden habe als zwischen Lehrer und Schülern. Man habe sich gegenseitig geholfen und unterstützt. Dementsprechend schlugen die Schüler mehrheitlich vor, dass alle Mitglieder einer Gruppe auch immer die gleiche Note für ihre Leistung bekommen sollten. Das war ihre Vorstellung von Gerechtigkeit. Ebenfalls ein interessantes Ergebnis. Ebenso bemerkenswert war der Vorschlag, die Gruppenarbeit zu optimieren, indem man sie mit einem kurzen Lehrervortrag kombinierte. Einige Gruppen hätten sich eine Vorabinformation zu ihrer Aufgabe gewünscht, um so auf einer klareren Basis in die eigenverantwortliche Arbeit einsteigen zu können, verbunden mit der Möglichkeit,auch einige relevante Fragen vorab zu klären. Mir fiel bei diesem Vorschlag mein Deutsch-Seminarleiter ein, der Lehrervorträge als nicht handlungsorientiert verdammt und mich dafür gegeißelt hatte.
Die Empfehlung vonseiten der Schüler war, die Learning-by-Doing-Woche auch für nachfolgende Schülergenerationen durchzuführen. Eine Woche sei zeitlich optimal. Auch wir Lehrer waren insgesamt zufrieden.
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